Diese Übersichtsarbeit untersucht das Potenzial von Statinen, cholesterinsenkenden Medikamenten, in der Brustkrebstherapie. Labor- und klinische Studien deuten darauf hin, dass Statine das Wachstum von Brustkrebszellen hemmen und das Rückfallrisiko deutlich senken könnten, insbesondere bei östrogenrezeptorpositiven Tumoren. Die Wirkmechanismen gehen über die reine Cholesterinsenkung hinaus und umfassen unter anderem die Störung des Krebsstoffwechsels und die Überwindung von Resistenzen gegen Hormontherapien. Derzeit befassen sich 30 klinische Studien gezielt mit Statinen in der Brustkrebsbehandlung – ein vielversprechendes neues Feld der Krebsforschung.
Könnten Cholesterinsenker Brustkrebs behandeln? Die Wissenschaft hinter Statinen
Inhaltsverzeichnis
- Einführung: Die Brustkrebslandschaft
- Wie Statine gegen Krebs wirken könnten
- Statine und Brustkrebsprävention
- Statine und das Risiko eines Brustkrebsrückfalls
- Statine und Wechselwirkungen mit der Hormontherapie
- Identifizierung von Patienten mit dem größten Nutzen
- Aktuelle und zukünftige klinische Forschung
- Wichtige Erkenntnisse und zukünftige Richtungen
- Quelleninformationen
Einführung: Die Brustkrebslandschaft
Brustkrebs ist weltweit die häufigste Krebserkrankung bei Frauen und macht mehr als 25 % aller Neudiagnosen aus. Die Erkrankungshäufigkeit variiert stark: von 19,3 Fällen pro 100.000 Frauen in Ostafrika bis zu 89,7 in Westeuropa. Tragischerweise ist Brustkrebs die fünfthäufigste Krebstodesursache insgesamt und die zweithäufigste bei Frauen.
Parallel zu den steigenden Brustkrebsraten hat die Zahl übergewichtiger und adipöser Menschen weltweit zugenommen. Dieser Zusammenhang ist bedeutsam, da Übergewicht mit dem metabolischen Syndrom einhergeht und das Risiko für verschiedene Erkrankungen, darunter Brustkrebs, erhöht. Übergewicht verschlechtert zudem die Prognose nach einer Krebsdiagnose. Eine häufige Begleiterscheinung ist die Hypercholesterinämie (erhöhter Cholesterinspiegel), was Forscher dazu veranlasst, den Zusammenhang zwischen Cholesterinstoffwechsel und Brustkrebs genauer zu untersuchen.
Wie Statine gegen Krebs wirken könnten
Statine hemmen das Enzym HMG-CoA-Reduktase (HMGCR), das den geschwindigkeitsbestimmenden Schritt im Mevalonatweg katalysiert. Dieser Stoffwechselweg produziert nicht nur Cholesterin, sondern auch steroidbasierte Hormone und Isoprenoide, die für die Zellfunktion essenziell sind. Durch die Blockade dieses Wegs könnten Statine ihre antikarzinogene Wirkung entfalten.
Krebszellen haben einen besonders hohen Cholesterinbedarf, da sie schnell neue Zellmembranen bilden müssen. Im Gegensatz zu gesunden Zellen verlieren sie oft die Regulation der Cholesterinproduktion. Studien zeigen, dass HMGCR wie ein „metabolisches Onkogen“ wirken kann – seine Fehlregulation begünstigt die Krebsentstehung. Tumore weisen häufig eine erhöhte HMGCR-Aktivität auf und sind resistent gegen die normalen Rückkopplungsmechanismen der Cholesterinproduktion.
Der Mevalonatweg scheint besonders in Tumoren mit p53-Mutationen wichtig zu sein. In Laborversuchen zeigten Brustkrebszellen mit p53-Mutationen gestörtes, invasives Wachstum, das durch Simvastatin rückgängig gemacht werden konnte. Die Statinbehandlung reduzierte das Tumorwachstum, löste programmierten Zelltod aus und normalisierte die Zellarchitektur – Effekte, die durch Zugabe von Mevalonatweg-Produkten aufgehoben wurden.
Neben der Cholesterinproduktion stören Statine auch die Bildung der Isoprenoide Geranylgeranylpyrophosphat (GGPP) und Farnesylpyrophosphat (FPP). Diese Verbindungen sind für die Funktion vieler Proteine, darunter krebsfördernde wie Ras, Rac und Rho, unerlässlich. Statine könnten so die Krebsausbreitung, Migration und Angiogenese (Blutgefäßneubildung) behindern.
Statine und Brustkrebsprävention
Forscher haben intensiv untersucht, ob Statine das Brustkrebsrisiko senken können. Biologisch erscheint dies plausibel, angesichts des Zusammenhangs zwischen Adipositas (oft mit hohem Cholesterinspiegel) und Brustkrebs. Die epidemiologischen Daten sind jedoch uneinheitlich.
Die große Nurse's Health Study fand keinen Zusammenhang zwischen Statineinnahme und dem Risiko für invasiven Brustkrebs – unabhängig vom Statintyp oder Tumorsubtyp. Eine Metaanalyse kam zu einem ähnlichen Ergebnis. Das schließt nicht aus, dass Statine vor bestimmten, cholesterinabhängigen Brustkrebs-Subtypen schützen könnten; aktuelle Studien waren jedoch nicht darauf ausgelegt, solche Effekte zu erfassen.
Zukünftige Forschung sollte Statineffekte in der Primärprävention bei Hochrisikopatientinnen untersuchen und klären, wie Statine normale Brustepithel- und Stromazellen beeinflussen – entscheidend für ein mögliches präventives Potenzial.
Statine und das Risiko eines Brustkrebsrückfalls
Die überzeugendsten Hinweise für Statine bei Brustkrebs stammen aus Studien zum Rückfallrisiko. Mit über 2,7 Millionen Brustkrebsüberlebenden allein in den USA ist die Suche nach gut verträglichen, kostengünstigen Präventionsmaßnahmen eine wichtige Priorität.
Mehrere Beobachtungsstudien deuten darauf hin, dass Statine nach der Diagnose das Rückfallrisiko verringern:
- Kwan et al. (2008): 33 % Reduktion (HR = 0,67, 95 %-KI: 0,39–1,13)
- Ahern et al. (2011): 27 % Reduktion bei 18.769 dänischen Überlebenden (HR = 0,73, 95 %-KI: 0,60–0,89)
- Chae et al. (2011): 60 % Reduktion (HR = 0,40, 95 %-KI: 0,24–0,67)
- Murtola et al. (2014): 46 % Reduktion (HR = 0,54, 95 %-KI: 0,44–0,67)
- Smith et al. (2017): 19 % Reduktion (HR = 0,81, 95 %-KI: 0,68–0,96)
Metaanalysen zufolge ist die Statineinnahme mit einer durchschnittlichen Risikoreduktion von 36 % verbunden (pooled RR 0,64, 95 %-KI: 0,53–0,79). Zudem scheinen Statine die brustkrebsspezifische Mortalität (besonders lipophile Statine) und die Gesamtmortalität (lipophile und hydrophile Statine) zu senken.
Statine und Wechselwirkungen mit der Hormontherapie
Diese Wechselwirkung ist besonders relevant für östrogenrezeptorpositive Tumore, die die Mehrheit der Fälle ausmachen. Aromatasehemmer (AH), eine Standardtherapie bei postmenopausalen Frauen, verursachen häufig erhöhte Cholesterinwerte. Problematisch ist, dass Cholesterin zu 27-Hydroxycholesterin (27HC) umgewandelt werden kann, das östrogenähnlich wirkt und die AH-Wirkung abschwächen könnte.
Studien zeigen, dass Statine sowohl LDL-Cholesterin als auch 27HC senken. In der BIG 1-98-Studie verbesserte der Beginn einer cholesterinsenkenden Therapie während der endokrinen Behandlung mehrere Outcomes:
- 19 % Verbesserung des krankheitsfreien Überlebens (HR = 0,79, 95 %-KI: 0,66–0,95)
- 24 % Verbesserung des brustkrebsfreien Intervalls (HR = 0,76, 95 %-KI: 0,60–0,97)
- 26 % Verbesserung des fernmetastasenfreien Intervalls (HR = 0,74, 95 %-KI: 0,56–0,97)
Diese Effekte zeigten sich sowohl unter Aromatasehemmern als auch Tamoxifen, was nahelegt, dass Cholesterinmanagement während der Hormontherapie unabhängig vom gewählten Ansatz Vorteile bringt.
Identifizierung von Patienten mit dem größten Nutzen
Nicht alle Brustkrebspatientinnen profitieren gleichermaßen von Statinen. Forscher suchen nach Biomarkern, die das Ansprechen vorhersagen können. Der vielversprechendste Kandidat ist HMGCR, das direkte Ziel der Statine.
In einer Phase-II-Studie reduzierte eine zweiwöchige präoperative Behandlung mit hochdosiertem Atorvastatin (80 mg/Tag) die Tumorproliferation speziell in HMGCR-exprimierenden Tumoren. Die Messung von HMGCR-Spiegeln könnte helfen, geeignete Patientinnen zu identifizieren.
Weitere potenzielle Biomarker sind:
- p53-Mutationsstatus
- Expression von Mevalonatweg-Genen
- YAP/TAZ-Transkriptionsregulatoren
- CYP27A1-Expression (Enzym für 27HC-Produktion)
Ältere Frauen mit hoher CYP27A1-Expression (und vermutlich hohen 27HC-Spiegeln) haben eine schlechtere Prognose, was diesen Marker ebenfalls relevant macht.
Aktuelle und zukünftige klinische Forschung
Die Evidenz für Statine in der Brustkrebstherapie hat zugenommen; derzeit sind 30 Studien auf clinicaltrials.gov gelistet.
Im Oktober 2016 startete die erste Studie zu Statinen bei metastasierendem Brustkrebs (NCT02958852). Sie testet, ob HMGCR-Expression das Ansprechen auf Statine vorhersagen kann – ein Schritt towards personalisierter Medizin.
Weitere Forschung untersucht Transkriptionsprofile, die mit Statinempfindlichkeit assoziiert sind, um Gen-Signaturen für das Ansprechen zu identifizieren. Ziel ist die Entwicklung umfassender Biomarker-Panels für gezielte Therapieentscheidungen.
Wichtige Erkenntnisse und zukünftige Richtungen
Labor-, epidemiologische und klinische Daten deuten darauf hin, dass Statine in der Brustkrebstherapie eine Rolle jenseits der Cholesterinsenkung spielen könnten. Die Mechanismen umfassen Störung des Cholesterinstoffwechsels, Hemmung der Proteinprenylierung, Reduktion östrogenähnlicher Metaboliten und mögliche Überwindung endokriner Resistenzen.
Am konsistentesten ist die Evidenz für eine Reduktion des Rückfallrisikos bei frühem Brustkrebs. Beobachtungsstudien zeigen eine Risikominderung von ca. 36 %. Die Wechselwirkung mit der endokrinen Therapie ist vielversprechend, da Cholesterinmanagement die Outcomes verbessert.
Nächste Schritte sind randomisierte kontrollierte Studien zu Statinen in der adjuvanten Brustkrebstherapie, idealerweise mit integrierten Biomarkern. Laufende Forschung zur Biomarker-Identifikation wird helfen, die geeigneten Patientinnen für eine Statintherapie zu finden und personalisierte Ansätze voranzutreiben.
Für Patientinnen unterstreicht diese Forschung die Bedeutung des Cholesterinmanagements, insbesondere unter endokriner Therapie. Obwohl Statine noch nicht Standard sind, könnten sie künftig ein wichtiger Bestandteil der Brustkrebsbehandlung werden.
Quelleninformationen
Originaltitel: Statins: a role in breast cancer therapy? (Review)
Autoren: S. Borgquist, O. Bjarnadottir, S. Kimbung & T. P. Ahern
Veröffentlichung: Journal of Internal Medicine, 2018;284:346–357
DOI: 10.1111/joim.12806
Dieser patientenfreundliche Artikel basiert auf der begutachteten Originalpublikation. Er bewahrt alle signifikanten Ergebnisse, Daten und Schlussfolgerungen, macht die Informationen aber für Patientinnen und Betreuungspersonen zugänglich.