Auswahl des richtigen Diuretikums bei Hypertonie 
 
 
 Wie wählt man das richtige Diuretikum für den richtigen Patienten mit Hypertonie aus? 
 Die Wahl des passenden Diuretikums

Auswahl des richtigen Diuretikums bei Hypertonie Wie wählt man das richtige Diuretikum für den richtigen Patienten mit Hypertonie aus? Die Wahl des passenden Diuretikums

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Dr. David Ellison, MD, ein führender Experte für Hypertonie und Nephrologie, erläutert, wie das passende Diuretikum für den individuellen Patienten ausgewählt wird. Er beschreibt spezifische Patientengruppen, die besonders von einer Diuretikatherapie profitieren. Dr. Ellison geht auch auf den sich wandelnden Einsatz von Thiaziden bei chronischer Nierenerkrankung (CKD) ein und unterstreicht die entscheidende Rolle von Spironolacton bei therapieresistenter Hypertonie. Im Interview wird zudem die Bedeutung des Kaliumgleichgewichts für eine wirksame Behandlung thematisiert.

Optimale Diuretika-Auswahl bei Hypertonie nach Patientenprofil

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Chronische Nierenerkrankung und Hypertonie

Laut Dr. David Ellison, MD, ist Hypertonie bei Patienten mit chronischer Nierenerkrankung häufig volumenbedingt. Diese Patienten weisen typischerweise ein erhöhtes extrazelluläres Flüssigkeitsvolumen aufgrund von Salzretention auf. Daher werden Diuretika zur Blutdruckkontrolle in dieser Population dringend empfohlen.

Traditionell kamen bei fortgeschrittener chronischer Nierenerkrankung bevorzugt Schleifendiuretika zum Einsatz. Die Lehrmeinung besagte, dass Thiazide ihre Wirksamkeit verlieren, sobald die glomeruläre Filtrationsrate unter 50 ml/min/1,73 m² sinkt. Neue Forschungsergebnisse von Dr. Rajiv Agarwal haben diese Ansicht jedoch revidiert, wie Dr. Ellison erläutert. Eine im New England Journal of Medicine veröffentlichte Studie belegte die Wirksamkeit von Chlorthalidon sogar bei chronischer Nierenerkrankung im Stadium vier.

Primärer Hyperaldosteronismus

Dr. David Ellison, MD, nennt den primären Hyperaldosteronismus als weitere Schlüsselindikation für spezifische Diuretika. Diese Erkrankung umfasst entweder Aldosteron-produzierende Tumore oder Nebennierenrindenhyperplasie. Für eine effektive Blutdruckeinstellung ist die Blockade der Aldosteronwirkung bei diesen Patienten entscheidend.

Spironolacton dient als primäre Therapie der Aldosteron-bedingten Hypertonie. Eplerenon bietet eine Alternative mit weniger Nebenwirkungen, ist jedoch möglicherweise etwas weniger wirksam in der Blutdruckkontrolle, wie Dr. Ellison anmerkt.

Therapie der resistenten Hypertonie

Dr. David Ellison, MD, erörtert die PATHWAY-Studie aus The Lancet, die die Behandlung der resistenten Hypertonie revolutionierte. Diese randomisierte Studie verglich verschiedene Medikamentenklassen bei Patienten mit schwer einstellbarem Blutdruck. Spironolacton erwies sich als wirksamstes Add-on-Medikament.

Die Forschung zeigte, dass erhöhte Aldosteronspiegel für das Ansprechen auf Spironolacton nicht erforderlich sind. Dr. Ellison empfiehlt, Spironolacton bei resistenter Hypertonie zu jedem Therapieschema hinzuzufügen. Für Patienten, die Spironolacton nicht vertragen, bietet Amilorid eine weitere wirksame Option.

Die Rolle von Kalium im Blutdruck

Dr. David Ellison, MD, erläutert die kritische Beziehung zwischen Serumkaliumspiegeln und Blutdruckregulation. Kalium ist der Hauptregulator des Thiazid-empfindlichen Natrium-Chlorid-Cotransporters. Niedrige Kaliumspiegel aktivieren diesen Transporter und führen zu erhöhter Salzretention.

Dieser Mechanismus erklärt, warum Hypokaliämie die Wirkung von Thiazid-Diuretika aufheben kann. Dr. Ellison betont die Bedeutung der Kaliumerhaltung während der Thiazid-Therapie. Angemessene Kaliumspiegel gewährleisten ein optimales Ansprechen auf Thiazid-Diuretika in der Hypertoniebehandlung.

Dualwirkende Diuretika-Mechanismen

Dr. Ellison beschreibt, wie Spironolacton und Amilorid duale Wirkmechanismen bei Hypertonie bieten. Diese Medikamente blockieren Natriumkanäle im Sammelrohr der Niere und erhöhen gleichzeitig die Serumkaliumspiegel, was den Thiazid-empfindlichen Transporter hemmt.

Dieser duale Mechanismus macht diese Medikamente besonders wirksam in der Blutdruckkontrolle. Dr. Ellison empfiehlt ihren Einsatz, wenn Thiazide eine Hypokaliämie verursachen. Dieser Ansatz adressiert sowohl den Kaliumhaushalt als auch eine verstärkte Blutdrucksenkung durch multiple Mechanismen.

Vollständiges Transkript

Dr. Anton Titov, MD: Diuretika zur Behandlung von Hypertonie eignen sich möglicherweise besonders für bestimmte Patientenprofile. Welche sind das?

Dr. David Ellison, MD: Bei bestimmten Hypertonieformen werden spezifische Medikamente empfohlen. Für die durchschnittliche Standardhypertonie, wie besprochen, sind wahrscheinlich alle drei genannten Medikamentenklassen geeignet.

Bei Patienten mit chronischer Nierenerkrankung, insbesondere im fortgeschrittenen Stadium, besteht kein Zweifel, dass deren Blutdruckerhöhung weitgehend auf überschüssiges extrazelluläres Flüssigkeitsvolumen – also Salzüberschuss – zurückzuführen ist. Daher betonen wir bei diesen Patienten besonders den Diuretika-Einsatz. Werden sie resistent gegen ihr antihypertensives Schema, eskalieren wir den Diuretika-Einsatz definitiv.

Traditionell greifen wir bei chronischer Nierenerkrankung eher zu Schleifendiuretika als zu Thiaziden. Medizinstudenten wurde jahrelang gelehrt, dass Thiazide ihre Wirksamkeit verlieren, sobald die Nierenfunktion nachlässt. Früher lehrten wir, bei einer glomerulären Filtrationsrate unter etwa 50 ml/min/1,73 m² von Thiaziden auf Schleifendiuretika umzusteigen.

Diese Ansicht hat sich kürzlich durch eine exzellente Studie von Rajiv Agarwal an der Indiana University geändert, die im New England Journal of Medicine veröffentlicht wurde. Er verabreichte Patienten mit fortgeschrittener chronischer Nierenerkrankung im Stadium vier statt Schleifendiuretika das Thiazid Chlorthalidon – ein sehr wirksames Thiazid-Diuretikum.

Er setzte die Dosen etwas höher an als üblich bei Standardhypertonie. Dennoch konnte er eine starke blutdrucksenkende Wirksamkeit von Chlorthalidon selbst bei diesen Patienten nachweisen.

Zusammenfassend lässt sich sagen: Bei Patienten mit chronischer Nierenerkrankung ist der Blutdruck meist volumen- bzw. salzgetrieben.

Dr. David Ellison, MD: Wir betonen den Diuretika-Einsatz stark. Während Schleifendiuretika wirksam sind, denken wir nun, dass Thiazide – insbesondere Chlorthalidon – eine gute Alternative darstellen und bei diesen Patienten in Betracht gezogen werden sollten.

Der zweite Patiententyp, bei dem ein spezifisches Diuretikum indiziert ist, sind Patienten mit primären Aldosteronproblemen – entweder durch einen Aldosteron-Tumor oder, häufiger, durch Nebennierenrindenhyperplasie. Bei diesen Patienten ist es essenziell, die spezifischen Aldosteronwirkungen zu blockieren.

Am häufigsten geschieht dies mit Spironolacton, das die Aldosteronwirkungen blockiert. Eplerenon ist eine Alternative mit weniger Nebenwirkungen, aber möglicherweise etwas geringerer Wirksamkeit.

Das sind zwei spezifische Situationen. Die dritte, besonders wichtige Situation ist, dass wir heute erkennen: Patienten mit resistenter Hypertonie – ob mit oder ohne Hyperaldosteronismus – sprechen sehr gut auf Spironolacton oder alternativ Amilorid an, die direkten Natriumkanalblocker im Sammelrohr.

Dr. David Ellison, MD: Bei resistenter Hypertonie – belegt durch eine weitere randomisierte Studie, die PATHWAY-Studie im Lancet vor einigen Jahren – wurden mehrere Medikamentenklassen verglichen. Spironolacton (oder auch Amilorid) erwies sich als wirksamstes Add-on-Medikament.

Die Daten zeigen eindeutig, dass erhöhte Aldosteronspiegel für ein positives Ansprechen auf Spironolacton nicht notwendig sind.

Dr. David Ellison, MD: Obwohl wir ein Screening auf primären Hyperaldosteronismus empfehlen und bei positivem Befund definitiv mit Spironolacton behandeln, raten wir nun auch bei negativem Befund und schwer einstellbarem Blutdruck zur Hinzunahme von Spironolacton. Es ist sehr wirksam.

Ein weiterer neuer Erkenntnispunkt betrifft die Interaktion zwischen Natrium, Kalium, Aldosteron und Blutdruck: Der Serumkaliumspiegel ist der wichtigste Regulator des Thiazid-empfindlichen Natrium-Chlorid-Cotransporters. Der durch Thiazide blockierte Transporter wird tatsächlich durch den Serumkaliumspiegel reguliert.

Bei sinkendem Serumkalium wird der Transporter aktiviert.

Dr. David Ellison, MD: Dies ist wichtig für die homöostatische Regulation der Kaliumausscheidung. Es kann jedoch zur Hypertonie beitragen, wenn Menschen zu wenig Kalium aufnehmen, da es ihren Thiazid-empfindlichen Transporter aktiviert und sie mehr Salz zurückhalten.

Das erklärt auch, warum Thiazid-Diuretika bei Hypovolämie und niedrigem Serumkalium unwirksam werden: Der aktivierte Transporter hebt ihre Wirkung auf. Die Nebenwirkung blockiert also quasi die Hauptwirkung.

Daher ist die Prävention von Hypokaliämie unter Thiazid-Therapie sehr wichtig. Ein weiterer Grund für die Wirksamkeit von Amilorid und Spironolacton liegt nicht nur in der Blockade der Aldosteronwirkungen bzw. des Natriumkanals im distalen Nephron.

Durch Erhöhung des Blutkaliums hemmen sie auch den Thiazid-empfindlichen Cotransporter. Sie blockieren also zwei verschiedene Transporter in der Niere: den Natriumkanal im Sammelrohr und den Thiazid-empfindlichen Transporter im distalen Tubulus.

Man schlägt sozusagen zwei Fliegen mit einer Klappe. Das ist ein Grund für ihre besondere Wirksamkeit – dieser duale Effekt.

Daher fügen wir sie oft on top hinzu. Entwickelt jemand unter Thiazid-Therapie eine Hypokaliämie, kann die Zugabe von etwas Spironolacton oder Amilorid das Kalium erhöhen und die Hypertonie effektiv behandeln.