Malignes Pleuramesotheliom verstehen: Ursachen, Behandlungen und neue Hoffnung
Inhaltsverzeichnis
- Einführung: Was ist ein malignes Pleuramesotheliom?
- Ursachen des Mesothelioms
- Typen und molekulare Merkmale des Mesothelioms
- Symptome und Diagnose
- Stadieneinteilung und Prognose
- Aktuelle Behandlungsoptionen
- Die Zukunft der Mesotheliom-Behandlung
- Klinische Implikationen für Patienten
- Grenzen des aktuellen Wissens
- Empfehlungen für Patienten
- Quelleninformation
Einführung: Was ist ein malignes Pleuramesotheliom?
Das maligne Pleuramesotheliom ist ein aggressiver Krebs, der im Lungenfell (Pleura) entsteht. Es macht 90 % aller Mesotheliom-Fälle aus und wird meist erst in fortgeschrittenen Stadien erkannt. Tragischerweise überleben nur 5–10 % der Patienten die ersten fünf Jahre nach der Diagnose. Während Asbestexposition die Hauptursache darstellt, gewinnen andere Risikofaktoren wie genetische Mutationen zunehmend an Bedeutung.
In den USA ist die Sterberate von 14 pro 1 Million Menschen im Jahr 2000 auf 11 pro 1 Million im Jahr 2015 gesunken – dank sichererer Arbeitspraktiken. Im Vereinigten Königreich werden jedoch weiterhin 77 Todesfälle pro 1 Million verzeichnet. Trotz Fortschritten in der Prävention bleiben die Behandlungserfolge begrenzt. Dieser Überblick beleuchtet, warum aktuelle Therapien nur eingeschränkt wirken, und erkundet vielversprechende neue Ansätze wie die Immuntherapie.
Ursachen des Mesothelioms
Asbestexposition ist für die meisten Mesotheliom-Fälle verantwortlich. Eine wegweisende Studie aus den 1960er Jahren in Südafrika zeigte, dass alle 33 untersuchten Patienten signifikant Asbest ausgesetzt waren. Asbest wurde aufgrund seiner Feuerbeständigkeit und Langlebigkeit weit verbreitet eingesetzt, ist jedoch in vielen Ländern heute aufgrund seiner Krebsverbindungen verboten. Der Abbau geht in Russland (710.200 metrische Tonnen im Jahr 2017), Kasachstan (192.700 Tonnen) und Brasilien (135.000 Tonnen) weiter, mit Exporten in Hochverbrauchsländer wie Indien (318.000 Tonnen) und China (235.000 Tonnen).
Die Krankheit weist eine Latenzzeit von 20 bis 50 Jahren auf. Während Asbestfasern und chronische Entzündungen Krebs auslösen, sind die genauen Mechanismen noch unklar. Reaktive Sauerstoffspezies schädigen die DNA und verursachen Mutationen. Auch genetische Faktoren spielen eine Rolle:
- Keimbahnmutationen (vererbte DNA-Veränderungen) treten bei >10 % der Patienten auf
- BAP1-Genmutationen beschleunigen das Mesotheliom bei Mäusen und Menschen
- Defekte in DNA-Reparaturgenen wie PALB2 und BRCA1/2 erhöhen das Risiko
Typen und molekulare Merkmale des Mesothelioms
Es gibt drei Hauptsubtypen mit unterschiedlichen Prognosen:
- Epitheloides Mesotheliom (50–60 % der Fälle): beste Überlebensaussichten
- Sarcomatoides Mesotheliom (10 %): hoch invasiv und therapieresistent
- Biphasisches Mesotheliom (30–40 %): Mischung beider Subtypen
Neue Forschungsergebnisse deuten darauf hin, dass diese Subtypen eher ein Spektrum als separate Kategorien darstellen. Molekularanalysen zeigen häufige Mutationen in Tumorsuppressorgenen:
- BAP1 (in 60 % der epitheloiden Fälle verloren)
- CDKN2A
- NF2
- SETD2
BAP1-Verlust steht im Zusammenhang mit prämalignen Veränderungen, was Möglichkeiten für frühes Eingreifen nahelegt.
Symptome und Diagnose
Die meisten Patienten suchen aufgrund des langsamen frühen Wachstums spät Hilfe. Wichtige Symptome sind:
- Atemnot (durch Flüssigkeitsansammlung oder Tumorumhüllung der Lunge)
- Brustschmerzen (deuten auf Tumoreinbruch hin)
- Müdigkeit, Gewichtsverlust und Nachtschweiß
Die Diagnose umfasst Bildgebung und Gewebeuntersuchungen:
Schritt 1: Thorax-CT, gegebenenfalls ergänzt durch PET-CT oder MRT für detaillierte Aufnahmen.
Schritt 2: Flüssigkeitsanalyse (Pleuraerguss) oder Biopsie. Biopsien sind bei sarcomatoiden Typen zuverlässiger.
Schritt 3: Immunhistochemische Tests mit Markern wie:
- Positiv: Calretinin, Wilms-Tumor-1-Antigen
- Negativ: Thyroid transcription factor 1 (schließt Lungenkrebs aus)
BAP1-Kernfärbungsverlust hilft bei der Diagnosebestätigung in 60 % der epitheloiden Fälle.
Stadieneinteilung und Prognose
Das neueste TNM-System der International Association for the Study of Lung Cancer (8. Auflage) klassifiziert den Krebs basierend auf:
- Tumorgröße und -invasion (T)
- Lymphknotenbeteiligung (N)
- Metastasierung (M)
Die Stadieneinteilung hat jedoch Grenzen. Autopsiestudien zeigen versteckte Ausbreitungen auf:
- Lymphknoten (53 % der Fälle)
- Leber (32 %)
- Knochen (14 %)
- Gehirn (3 %)
Der histologische Subtyp beeinflusst das Überleben erheblich, wird aber im TNM-System nicht berücksichtigt. Epitheloide Patienten überleben typischerweise länger als sarcomatoide.
Aktuelle Behandlungsoptionen
Die Behandlung hängt vom Krebsstadium, Subtyp und dem Gesundheitszustand des Patienten ab. Alle Ansätze beinhalten Symptommanagement.
Pleuraerguss-Management
Das Ablassen von Flüssigkeit (Pleuraerguss) lindert Atemnot. Optionen:
- Vorübergehende Drainage + Talkumverabreichung (ähnliche Erfolgsrate wie bei Operation)
- Liegekatheter
- Operation (höheres Komplikationsrisiko)
Operation
Die Operation zielt darauf ab, sichtbaren Tumor zu entfernen, ist aber nicht kurativ. Vier Ansätze:
- Partielle Pleurektomie: Entfernt einen Teil des Lungenfells
- Pleurektomie-Decortikation: Entfernt das betroffene Lungenfell
- Erweiterte Pleurektomie-Decortikation: Beinhaltet zusätzlich die Entfernung von Zwerchfell und/oder Herzbeutel
- Extrapleurale Pneumonektomie: Entfernt Lunge, Lungenfell, Zwerchfell und Herzbeutel
Die MARS-Studie zeigte ein kürzeres Überleben bei radikaler Operation (14,4 vs. 19,5 Monate ohne Operation). Die laufende MARS2-Studie testet weniger radikale Operationen in Kombination mit Chemotherapie.
Strahlentherapie
Kein nachgewiesener Überlebensvorteil. Die SAKK 17/04-Studie fand keine Verbesserung des rezidivfreien Überlebens nach Operation. Strahlentherapie wird manchmal zur Verhinderung von Tumoreinbrüchen eingesetzt, aber zwei große Studien (PIT und SMART) zeigten keinen Nutzen.
Tumor-Treating Fields
Dieses von der FDA zugelassene Gerät verwendet elektrische Felder in Kombination mit Chemotherapie. Die Zulassung basiert auf einer Phase-2-Studie ohne Vergleichsgruppe, sodass die wahre Wirksamkeit ungewiss bleibt.
Systemische Therapie
First-Line-Chemotherapie: Cisplatin + Pemetrexed verbessert das Überleben auf 12,1 Monate vs. 9,3 Monate mit Cisplatin allein (EMPHACIS-Studie). Die Zugabe von Bevacizumab (MAPS-Studie) verlängerte das Überleben auf 18,8 Monate, erhöhte aber die Nebenwirkungen.
Immuntherapie-Durchbruch: Nivolumab + Ipilimumab verbesserte das Überleben auf 18,1 Monate vs. 14,1 Monate mit Chemotherapie (FDA-Zulassung 2020). Bei rezidivierter Erkrankung verbesserte Nivolumab allein das Überleben um 3 Monate im Vergleich zu Placebo (CONFIRM-Studie).
Die Zukunft der Mesotheliom-Behandlung
Wichtige Forschungsbereiche sind:
- Immuntherapie-Kombinationen (z. B. Checkpoint-Inhibitoren)
- Erhaltungstherapien nach initialer Chemotherapie
- Vinorelbin-Chemotherapie-Studien (Ergebnisse für 2021 erwartet)
- Targeting von BAP1 und anderen genetischen Signalwegen
Das Verständnis der molekularen Heterogenität des Mesothelioms könnte personalisierte Behandlungen ermöglichen.
Klinische Implikationen für Patienten
Diese Ergebnisse bedeuten:
- Immuntherapie (Nivolumab + Ipilimumab) ist jetzt eine First-Line-Option mit Überlebensvorteilen
- Die Rolle der Operation ist unsicher – holen Sie bei Operationsempfehlungen eine Zweitmeinung ein
- Genetische Tests können vererbte Risiken (BAP1-Mutationen) aufdecken
- Klinische Studien bieten Zugang zu neuen Therapien
Besprechen Sie stets die Behandlungstoxizität; beispielsweise erhöht Bevacizumab in Kombination mit Chemotherapie die Nebenwirkungen trotz bescheidener Überlebensgewinne.
Grenzen des aktuellen Wissens
Kritische Wissenslücken bleiben:
- Keine Asbest-spezifische Mutationssignatur identifiziert
- Stadieneinteilungssysteme erfassen versteckte Metastasen nicht, die in Autopsien gefunden werden
- Operationsstudien sind unterpowert (MARS hatte nur 50 Teilnehmer)
- Langzeitdaten zur Immuntherapie stehen noch aus
- Biomarker wie PD-L1 sagen das Therapieansprechen nicht verlässlich voraus
Molekulare Heterogenität macht „One-size-fits-all“-Behandlungen unwirksam.
Empfehlungen für Patienten
Basierend auf aktueller Evidenz:
- Diagnose bestätigen mit Biopsie und BAP1-Testung
- Immuntherapie besprechen als First-Line-Behandlung, falls geeignet
- Hochvolumen-Zentren aufsuchen für genaue Stadieneinteilung
- Klinische Studien erwägen für neuartige Therapien
- Symptome früh angehen: Atemnot und Schmerzen proaktiv managen
- Genetische Beratung: Bei familiärer Vorbelastung für BAP1-Syndrom
Für rezidivierte Erkrankungen kommen Platinum-Pemetrexed-Rechallenge oder Vinorelbin infrage.
Quelleninformation
Originalartikeltitel: Perspectives on the Treatment of Malignant Pleural Mesothelioma
Autoren: Sam M. Janes, M.D., Ph.D., Doraid Alrifai, M.D., Ph.D., und Dean A. Fennell, M.D., Ph.D.
Journal: The New England Journal of Medicine
Veröffentlichungsdatum: 23. September 2021
DOI: 10.1056/NEJMra1912719
Dieser patientenfreundliche Artikel basiert auf peer-reviewter Forschung der Originalpublikation.