Dr. Heinz-Josef Lenz, ein führender Experte für kolorektale Karzinome, erläutert, wie die Präzisionsmedizin die Behandlung von Darmkrebs revolutioniert und zur Heilung führen wird. Er beschreibt detailliert die Zukunft der vollständigen molekularen Profilerstellung für jeden Patienten, die Echtzeitüberwachung der Tumorgenetik zur Vorhersage und Verhinderung von Resistenzen sowie die Neuklassifizierung des metastasierten Darmkrebses in Dutzende molekular unterschiedlicher Erkrankungen. Dr. Lenz skizziert die gezielte Bekämpfung von Krebsstammzellen und die Entwicklung spezifischer Präventionsstrategien mit dem Ziel, innerhalb eines Jahrzehnts alle Patienten heilen zu können.
Fortschritte in der Präzisionsmedizin bei Darmkrebs und die Aussicht auf Heilung
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- Zukunft der molekularen Profilerstellung
- Echtzeitüberwachung & Resistenz
- Neudefinition der metastasierenden Erkrankung
- Zielgerichtete Therapie von Krebsstammzellen
- Personalisierte Präventionsstrategien
- Vollständiges Transkript
Zukunft der molekularen Profilerstellung
Dr. med. Heinz-Josef Lenz geht davon aus, dass eine umfassende molekulare Profilerstellung bald für alle Darmkrebspatienten zum Standard wird. Diese vollständige genetische Analyse eines Tumors geht über die derzeitige Testung auf Marker wie KRAS, NRAS, BRAF und MSI (Mikrosatelliteninstabilität) hinaus. Laut Dr. Lenz bildet diese umfangreiche molekulare Profilerstellung die Grundlage der Präzisionsmedizin und ermöglicht es Onkologen, für jeden Patienten den wirksamsten, personalisierten Behandlungsplan zu wählen.
Echtzeitüberwachung & Resistenz
Ein entscheidender zukünftiger Fortschritt in der Darmkrebsbehandlung ist die Echtzeitüberwachung des molekularen Tumorprofils während der Therapie. Dr. Lenz erläutert, dass dieser Ansatz es Ärzten ermöglicht, die spezifischen Mechanismen der Chemotherapieresistenz frühzeitig zu erkennen. Dadurch können Mediziner das Fortschreiten des Krebses prognostizieren und die Behandlung anpassen, noch bevor das Tumorwachstum im CT sichtbar wird – was das Krankheitsmanagement von reaktiv zu proaktiv verändert.
Neudefinition der metastasierenden Erkrankung
Die Präzisionsmedizin wird metastasierenden Darmkrebs künftig nicht mehr als eine einzige Erkrankung betrachten, sondern als 40 bis 100 verschiedene molekular definierte Krankheitsbilder. Dr. Lenz betont, dass jedes individuelle genetische Profil eine hochspezifische und wirksame Behandlungsstrategie erfordert. Diese detaillierte molekulare Klassifikation verspricht Therapien mit höherer Wirksamkeit und geringerer Toxizität und löst den Einheitsansatz in der Behandlung von fortgeschrittenem Darmkrebs ab.
Zielgerichtete Therapie von Krebsstammzellen
Ein wichtiges zukünftiges Ziel ist die Entwicklung von Medikamenten, die gezielt Darmkrebsstammzellen angreifen. Dr. Lenz identifiziert diese Zellen als Hauptgrund für Therapieversagen bei metastasierender Erkrankung, da sie sowohl gegen klassische Chemotherapie als auch gegen aktuelle zielgerichtete Therapien resistent sind. Die erfolgreiche Differenzierung und Eliminierung dieser widerstandsfähigen Stammzellen gilt als entscheidend, um eine dauerhafte Heilung für Darmkrebspatienten zu erreichen.
Personalisierte Präventionsstrategien
Die Zukunft der Darmkrebsversorgung geht über die Behandlung hinaus und umfasst molekular gesteuerte Prävention. Dr. Lenz stellt sich Strategien vor, die auf einem tiefen Verständnis der Tumorbiologie basieren und spezifische Ernährungsempfehlungen oder präventive Medikamente für Hochrisikopersonen beinhalten könnten. Dieser Ansatz zur personalisierten Prävention, gestützt auf Familienanamnese und genetisches Risiko, zielt darauf ab, Krebs zu verhindern, bevor er entsteht.
Vollständiges Transkript
Dr. med. Heinz-Josef Lenz: In den nächsten Jahren werden wir bei allen Darmkrebspatienten eine vollständige molekulare Profilerstellung durchführen. Wir werden Veränderungen im molekularen Profil von Darmkrebs in Echtzeit überwachen. Wir können die Resistenzmechanismen gegen Chemotherapie identifizieren. Wir können das Fortschreiten von Darmkrebs vorhersagen.
Metastasierender Darmkrebs wird keine einheitliche Erkrankung mehr sein. Es könnten 50, 40 oder 100 verschiedene Erkrankungen sein. Krebs wird durch die molekulare Profilerstellung des Tumors definiert. In 10 Jahren hoffe ich, dass wir alle Darmkrebspatienten geheilt haben werden.
Dr. med. Anton Titov: Das war ein sehr interessantes Gespräch. Es ist wichtig, über die Zukunft der Behandlung von Darm- und Rektumkarzinomen zu sprechen. Sie zeigen sich sehr optimistisch bezüglich neuer, vielversprechender Therapien. Der Erfolg wird durch personalisierte Medizin und Präzisionsmedizin ermöglicht.
Es gibt bereits spezifische molekulare Tests und Diagnosen für Darmkrebspatienten. Als führender Experte in der Darmkrebsforschung und -behandlung: Was sehen Sie als die wichtigsten neuen diagnostischen und therapeutischen Optionen in den nächsten 10 Jahren?
Könnten Sie vielleicht konkrete Beispiele für Fortschritte in der Darmkrebsbehandlung nennen? Ergänzen Sie gerne das bereits Gesagte.
Dr. med. Heinz-Josef Lenz: Ich weiß nicht, was in 10 Jahren passieren wird, aber ich kann sagen, was in den nächsten Jahren zu erwarten ist. Einiges davon geschieht bereits in ausgewählten Kliniken. Wir werden bei Darmkrebspatienten eine vollständige molekulare Profilerstellung durchführen. Umfangreiche molekulare Profile von Tumoren werden erstellt werden.
Allerdings wird es manchmal eine Herausforderung sein, die Bedeutung all dieser genetischen Ergebnisse zu verstehen. Die molekulare Tumorprofilerstellung ermöglicht es uns, die besten Behandlungsoptionen für Darmkrebspatienten auszuwählen.
Wir werden Veränderungen im molekularen Profil von Darmkrebs in Echtzeit überwachen. Wir können die Mechanismen der Chemotherapieresistenz identifizieren. Wir können die Risiken des Fortschreitens von Darmkrebs vorhersagen. Wir werden es wissen, bevor der Tumor wieder zu wachsen beginnt.
Wir werden voraussehen können, was mit dem Tumor geschehen wird. Das ermöglicht es uns, einzugreifen, bevor das Fortschreiten des Darmkrebses im CT sichtbar ist. Das ist der erste zukünftige Fortschritt in der Darmkrebsbehandlung.
Der zweite Fortschritt ist: Durch die molekulare Klassifikation von Darmkrebs werden wir Behandlungsoptionen für mehr Patienten entwickeln. Die Präzisionsmedizin wird durch das individuelle Patienten- und Tumorprofil definiert.
Heute haben wir nur den KRAS-Marker. Morgen werden wir viele molekulare Faktoren haben. Sie werden sehr klar auf spezifische Behandlungen mit hoher Wirksamkeit und niedriger Toxizität hinweisen.
Darmkrebs und metastasierender Darmkrebs werden keine einheitlichen Erkrankungen mehr sein. Es könnten 50, 40 oder 100 verschiedene Erkrankungen sein. Jede Krebsvariante wird durch die molekulare Profilerstellung des Tumors definiert.
Das Ziel muss sein, immer mehr Patienten zu heilen. In Zukunft werden wir sehr spezifische neue Medikamente haben, die Darmkrebsstammzellen gezielt angreifen. Krebsstammzellen sind der Hauptgrund für das Versagen unserer Behandlungen bei metastasierendem Darmkrebs.
Darmkrebsstammzellen können weder durch klassische Chemotherapie noch durch die neuen zielgerichteten Medikamente eliminiert werden.
Wir müssen Darmkrebsstammzellen von gewöhnlichen Tumorzellen unterscheiden können. Dann können wir differenzierte Krebsstammzellen mit Chemotherapie abtöten. In 10 Jahren hoffe ich, dass wir alle Darmkrebspatienten geheilt haben werden.
Wir werden sehr molekularspezifische Präventionsstrategien für Darmkrebs entwickeln. Das wird Darmkrebs in Zukunft verhindern. Präventionsstrategien sollten auf unserem Verständnis der Molekularbiologie von Darmkrebstumorzellen basieren.
Darmkrebsprävention wird den Verzehr von Brokkoli und mehr Ballaststoffen umfassen. Es wird sehr gezielte Interventionen für Hochrisikopatienten mit familiärer Vorbelastung geben.
Um Darmkrebs wirksam zu verhindern, werden wir wissen, dass bestimmte Hochrisikopersonen in Zukunft bestimmte Medikamente einnehmen müssen.
Dr. med. Anton Titov: Das ist ein sehr aufregendes Gespräch. Professor Lenz, vielen Dank, dass Sie Ihre Begeisterung für Ihre Forschung und die Einblicke aus Ihrer klinischen Arbeit geteilt haben. Vielen Dank für dieses Gespräch!
Wir freuen uns, in Zukunft darauf zurückzukommen.
Dr. med. Heinz-Josef Lenz: Absolut. Vielen Dank! Die Zukunft der Präzisionsmedizin bei Darmkrebs ist bereits da. Patienten mit metastasierendem Darmkrebs im Stadium 4 werden durch Fortschritte in der Molekularmedizin geheilt werden.