Polypille zur Prävention von Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Bluthochdruck und Herzinsuffizienz. Teil 1 von 12.

Polypille zur Prävention von Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Bluthochdruck und Herzinsuffizienz. Teil 1 von 12.

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Dr. David Ellison, MD, ein führender Experte für Nephrologie und Hypertonie, erläutert den Polypill-Ansatz zur Prävention kardiovaskulärer Erkrankungen. Er zeigt auf, wie eine Kombination niedrig dosierter Medikamente kardiovaskuläre Ereignisse deutlich reduzieren kann – bei minimalen Nebenwirkungen. Zudem stellt Dr. Ellison ein neuartiges "Diuretikum-Polypill"-Konzept vor, das durch gleichzeitige Blockade mehrerer Nierentransportstellen Krankenhauseinweisungen aufgrund von Herzinsuffizienz verhindern soll.

Polypill-Strategie zur Prävention von Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Herzinsuffizienz

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Polypill-Konzept und Zusammensetzung

Dr. David Ellison, MD, zeigt sich begeistert vom Polypill-Ansatz zur Prävention von Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Die Polypille kombiniert typischerweise niedrigdosierte Wirkstoffe: ein Statin zur Cholesterinkontrolle, gegebenenfalls Aspirin zur Hemmung der Thrombozytenaggregation, einen ACE-Hemmer oder AT1-Rezeptorblocker zur Blutdruckregulation sowie ein Thiaziddiuretikum wie Hydrochlorothiazid oder Indapamid. Diese Multimedikamentenstrategie hat in klinischen Studien – insbesondere im Iran und Pakistan, wo sie weit verbreitet ist – eine bemerkenswerte Wirksamkeit bewiesen und kardiovaskuläre Ereignisse um etwa 50 % reduziert.

Mechanismus und Vorteile der Niedrigdosistherapie

Der Erfolg der Polypille basiert auf dem Prinzip, mehrere Wirkstoffe in sehr niedrigen Dosierungen zu kombinieren. Dr. David Ellison, MD, erläutert, dass jede Substanzklasse in voller Dosis zwar Vorteile bietet, aber auch physiologische Gegenreaktionen auslösen kann, die nachteilig wirken. So stimulieren Diuretika das Renin-Angiotensin-Aldosteron-System, während ACE-Hemmer mitunter Flüssigkeitsretention begünstigen. Durch die gleichzeitige Blockade mehrerer Signalwege in niedriger Dosierung nutzt die Polypille alle positiven Effekte, minimiert aber Nebenwirkungen und Kompensationsmechanismen, die Einzeltherapien oft unterlaufen.

Herausforderung der Herzinsuffizienz-Hospitalisierung

Dr. David Ellison, MD, weist auf das erhebliche Problem der akut dekompensierten Herzinsuffizienz in den USA hin. Sie zählt zu den häufigsten Hospitalisierungsursachen, verursacht jährlich Milliardenschäden und erhebliches Leid. Üblicherweise werden in akuten Phasen hochdosierte Schleifendiuretika zur Behandlung der Volumenüberladung eingesetzt. Ellisons Forschung zeigt jedoch, dass diese hochdosierten Diuretika kompensatorische Hypertrophie in anderen Nephronabschnitten auslösen, was deren Wirksamkeit mindert und zu wiederkehrenden Krankenhausaufenthalten beiträgt.

Innovation der Diuretika-Polypille

Dr. David Ellison, MD, und sein Team erforschen einen revolutionären "Diuretika-Polypill"-Ansatz zur Prävention von Herzinsuffizienzdekompensationen. Statt bei Hospitalisation hochdosierte Schleifendiuretika einzusetzen, setzt diese präventive Strategie auf minimal dosierte Wirkstoffe, die gleichzeitig den Transport in mehreren Nierenabschnitten blockieren: im proximalen Tubulus, der Henle-Schleife, dem distalen Tubulus und dem Sammelrohr. Dieser Multi-Target-Ansatz zielt darauf ab, kompensatorische Nierenveränderungen zu verhindern, die letztlich zur Therapieresistenz und wiederholten Hospitalisierungen bei akuter Herzinsuffizienz führen.

Rolle der SGLT2-Inhibitoren bei Herzinsuffizienz

Dr. David Ellison, MD, hebt die bemerkenswerten Vorteile von SGLT2-Inhibitoren (Natrium-Glukose-Cotransporter-2-Inhibitoren) hervor. Diese wirken diuretisch durch gesteigerte Natriumausscheidung und unterstützen zugleich die Diabetesbehandlung. Die Substanzen zeigen nahezu spektakuläre Effekte bei Herzinsuffizienz mit reduzierter Ejektionsfraktion, chronischer Nierenerkrankung und der Reduktion multipler Erkrankungsrisiken. Signifikanterweise sind SGLT2-Inhibitoren die erste Wirkstoffklasse, die auch bei Herzinsuffizienz mit erhaltener Ejektionsfraktion wirksam ist. Ellisons Team untersucht ihren Einsatz im proximalen Tubulus als Teil der Diuretika-Polypill-Strategie, um Dekompensationen vorzubeugen und Patienten länger gesund zu erhalten.

Zukünftige Präventionsstrategien

Dr. David Ellison, MD, betont, dass der optimale Ansatz im Herzinsuffizienz-Management in der Prävention statt in der Krisenintervention liegt. Während das traditionelle Modell auf die Behandlung akuter Dekompensationen mit hochdosierten Diuretika setzt, liegt die Zukunft in präventiven Strategien zur Aufrechterhaltung der Stabilität. Das Polypill-Konzept – ob zur Prävention von Herz-Kreislauf-Erkrankungen oder zum Herzinsuffizienz-Management – markiert einen Paradigmenwechsel hin zu niedrigdosierten Multi-Target-Therapien, die mit der Körperphysiologie arbeiten statt kontraproduktive Kompensationsmechanismen auszulösen. Ellisons Forschung widmet sich weiterhin diesen innovativen Ansätzen, um Patienten langfristig gesund zu halten.

Vollständiges Transkript

Dr. Anton Titov, MD: Diuretika wie Hydrochlorothiazid und Indapamid sind Teil der Polypille. Diese wird besonders in Ländern außerhalb des Westens – etwa im Iran und Pakistan – eingesetzt und hat dort offenbar zu einer 50%igen Reduktion kardiovaskulärer Ereignisse geführt. Wie bewerten Sie den Polypill-Ansatz zur Risikoreduktion von Herz-Kreislauf-Erkrankungen in der Bevölkerung?

Dr. David Ellison, MD: Ich halte die Idee für ausgezeichnet. Wie ich bereits angedeutet habe, möchte ich speziell auf die Rolle der Diuretika in der Polypille eingehen. Das Konzept baut auf dem auf, worüber wir gesprochen haben: Durch die Gabe kleiner Dosen verschiedener Medikamente, die jeweils Vorteile bieten, ließen sich möglicherweise Nebenwirkungen minimieren oder vermeiden – bei gleichzeitig dramatischen positiven Effekten.

Dr. David Ellison, MD: Typischerweise enthält die Polypille ein Statin; manche Versionen fügten früher Aspirin hinzu, dazu einen ACE-Hemmer oder Angiotensinrezeptorblocker in niedriger Dosierung sowie ein Thiaziddiuretikum. Wir wissen, dass all diese Medikamente in voller Dosis patientenrelevante Endpunkte verbessern. Ein Problem bei der Einzelgabe ist jedoch, dass sie physiologische Gegenreaktionen auslösen können, die nachteilig wirken.

Gibt man ein Diuretikum, stimuliert dies das Renin-Angiotensin-Aldosteron-System. Wie besprochen, können Angiotensin und Aldosteron schädlich wirken. Die Stimulierung dieses Systems könnte also unerwünschte Effekte haben. Wir gehen zwar davon aus, dass die Vorteile eines Thiaziddiuretikums die Risiken überwiegen.

Umgekehrt kann die Hemmung des Renin-Angiotensin-Systems bei Blutdrucksenkung mitunter Flüssigkeitsretention begünstigen – was ungünstig ist. Theoretisch ließen sich durch die Blockade mehrerer Punkte entlang des Signalwegs alle positiven Effekte ohne die negativen erzielen. Sehr niedrige Dosen helfen zudem, die meisten Nebenwirkungen zu vermeiden.

Ich bin wirklich enthusiastisch, was die Polypille angeht. Die Daten dazu finde ich sehr überzeugend. Ob sie breit bei Menschen in Ländern wie den USA oder Europa eingesetzt werden sollte, ist derzeit noch nicht ausreichend mit Enthusiasmus bedacht. Das liegt meiner Ansicht nach mehr an Trägheit als an mangelnder wissenschaftlicher Evidenz.

Wäre die Polypille hier verfügbar, würde ich Menschen in meinem Umfeld durchaus dazu raten. Kehren wir kurz zu den Diuretika zurück: Das gleiche Prinzip gilt auch hier.

Ich erwähnte bereits, dass die akut dekompensierte Herzinsuffizienz oder Patienten mit wiederholten Herzinsuffizienz-Hospitalisationen ein großes Problem darstellen. Es ist eine der häufigsten Ursachen für Krankenhausaufenthalte in den USA, verursacht Milliardenkosten, und die Patienten leiden erheblich unter diesen Dekompensationsphasen.

Was können wir tun, um das zu verhindern? Derzeit verabreichen wir bei Eintreffen der Patienten superhohe Dosen von Schleifendiuretika – weil wir müssen. Es ist der einzige Weg, Herzinsuffizienzpatienten zur Diurese zu bringen.

Doch wir verstehen nun, nicht zuletzt durch Arbeiten in unserem Labor, was die Gabe eines Diuretikums in der Niere auslöst: Sie veranlasst sie zur Kompensation. Bei chronischer Gabe hoher Schleifendiuretika-Dosen hypertrophieren andere Nierenabschnitte.

Dr. David Ellison, MD: Wird der Transport in einem Segment blockiert, kommt es zur Hypertrophie in anderen Teilen des Nephrons. Wir glauben, dass einer der Gründe für wiederkehrende Episoden und den Wirkverlust der Schleifendiuretika darin liegt, dass die hypertrophierten, nicht blockierten Nephronsegmente die Effekte der Diuretika überkompensieren.

Daher ist der richtige Zeitpunkt für eine Behandlung nicht die akute Herzinsuffizienzdekompensation bei Hospitalisation, sondern die Phase davor. Wir untersuchen derzeit im Labor – mit dem Ziel der klinischen Übertragung – ob statt einer sehr hohen Dosis eines Schleifendiuretikums eine sehr niedrige Dosis eines Medikaments, das den Transport im proximalen Tubulus, der Henle-Schleife, dem distalen Tubulus und dem Sammelrohr blockiert, einen effektiven diuretischen Ansatz bieten könnte, der keine kompensatorischen Mechanismen auslöst, die sich gegen uns richten.

Wir testen im Wesentlichen eine Diuretika-Polypille, um zu prüfen, ob sich die kompensatorischen Nierenveränderungen verhindern lassen, die letztlich zu Hospitalisationen bei akuter Herzinsuffizienz führen. Die Antwort kennen wir noch nicht, aber wir sind auf einem guten Weg.

Ich bin überzeugt, dass ein solcher Diuretika-Polypill-Ansatz vielversprechend ist. Ergänzend sei erwähnt, dass wir inzwischen wissen, dass SGLT2-Inhibitoren – die diuretisch wirken, indem sie die Natriumausscheidung steigern, und zugleich bei Diabetes helfen – nahezu wundersame Effekte haben. Sie können Herzinsuffizienz mit reduzierter Ejektionsfraktion behandeln, chronische Nierenerkrankungen lindern und multiple Erkrankungsrisiken senken.

Dies ist die erste Wirkstoffklasse, die nachweislich auch bei Herzinsuffizienz mit erhaltener Ejektionsfraktion wirkt.

Dr. David Ellison, MD: Das sind wirklich herausragende Medikamente.

Dr. David Ellison, MD: Statt eines klassischen Diuretikums im proximalen Tubulus untersuchen wir daher auch den Einsatz eines SGLT2-Inhibitors in diesem Abschnitt – ebenfalls in sehr kleinen Dosen – mit dem Ziel, Dekompensationen zu verhindern und Menschen länger gesund zu erhalten.