Dr. Scott Friedman, ein führender Experte für Lebererkrankungen, erläutert den Zusammenhang zwischen Fettleber und Leberkrebs. Er geht detailliert darauf ein, warum manche Patienten mit nichtalkoholischer Steatohepatitis (NASH) bereits vor dem Auftreten einer Zirrhose Krebs entwickeln. Dr. Friedman spricht sich für personalisierte Krebsvorsorgeuntersuchungen aus, die auf dem Fibrosestadium und genetischen Risikofaktoren basieren. Zudem hebt er Unterschiede im Ansprechen von NASH-bedingtem Leberkrebs auf Immuntherapien im Vergleich zu durch Virushepatitis verursachten Tumoren hervor.
Leberkrebsrisiko und Screening bei Fettlebererkrankung (NAFLD und NASH)
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- NASH- und NAFLD-Leberkrebsrisiko
- Screening-Leitlinien und Leberzirrhose
- Ansprechen von NASH-Krebs auf Immuntherapie
- Personalisierung des Leberkrebs-Screenings
- Genetische Risikofaktoren und PNPLA3
- Vollständiges Transkript
NASH- und NAFLD-Leberkrebsrisiko
Dr. Scott Friedman, MD, erläutert, dass jede Erkrankung, die zu fortgeschrittener Vernarbung und Zirrhose der Leber führt, ein Hauptrisikofaktor für primären Leberkrebs ist. Anders als bei Krebs in anderen Organen entsteht Leberkrebs nur sehr selten in einer gesunden, unversehrten Leber. Das höchste Risiko haben Patienten mit fortgeschrittener Lebererkrankung. Historisch gesehen, so Dr. Friedman, standen die meisten Leberkrebsfälle im Zusammenhang mit chronischen Virushepatitiden wie Hepatitis B und C. Durch wirksame antivirale Therapien geht die Häufigkeit dieser virusbedingten Krebserkrankungen jedoch zurück.
Ein besonderes Problem bei der nichtalkoholischen Steatohepatitis (NASH) ist, dass Leberkrebs sogar vor Ausbildung einer Zirrhose auftreten kann. Dr. Friedman weist darauf hin, dass etwa ein Drittel der Leberkrebsfälle bei NASH-Patienten „vorzeitig“ – also ohne Zirrhose – entstehen. Dies hat erhebliche Konsequenzen für das Verständnis des Krebsrisikos bei nicht-zirrhotischer NASH und für die Frage, wann mit Screeningmaßnahmen begonnen werden sollte.
Screening-Leitlinien und Leberzirrhose
Aktuelle Leitlinien empfehlen ein routinemäßiges Screening auf Leberkrebs für Patienten mit fortgeschrittener Fibrose oder Zirrhose. Dr. Friedman betont, dass Betroffene alle sechs Monate bildgebende Verfahren wie Ultraschall oder MRT durchführen lassen sollten. Ziel ist es, eventuelle Tumore in einem frühen, noch heilbaren Stadium zu entdecken – etwa durch chirurgische Resektion, Lebertransplantation oder lokale Ablation.
Dr. Anton Titov, MD, spricht mit Dr. Friedman über die Personalisierung dieser Empfehlungen. Das traditionelle Modell, das vor allem auf das Vorliegen einer Zirrhose abstellt, wird für NASH-Patienten neu bewertet. Da Krebs hier früher im Krankheitsverlauf auftreten kann, müssen Ärzte zusätzliche Risikofaktoren berücksichtigen, um den optimalen Zeitpunkt für den Beginn der Überwachung individuell festzulegen.
Ansprechen von NASH-Krebs auf Immuntherapie
Eine Revolution in der Krebstherapie brachten Immuntherapeutika, sogenannte Checkpoint-Inhibitoren. Diese Medikamente aktivieren das körpereigene Immunsystem zur Bekämpfung von Krebszellen. Dr. Friedman merkt an, dass diese Mittel zwar bei Krebsarten wie Lungenkrebs sehr erfolgreich waren, die Wirksamkeit bei Leberkrebs jedoch begrenzter ist. Zwar schneidet die Immuntherapie immer noch besser ab als eine konventionelle Chemotherapie, die Ansprechraten variieren.
Entscheidend ist, so Dr. Friedman, dass Leberkrebs bei Patienten mit Virushepatitis tendenziell besser auf immunologische Therapien anspricht als Krebs bei NASH-Patienten. Forscher untersuchen daher die Immunumgebung in diesen Tumoren, um zu verstehen, warum NASH-bedingte Krebserkrankungen resistenter gegen Checkpoint-Inhibitoren sein könnten. Dieses dynamische Forschungsfeld könnte zu personalisierteren und wirksameren Behandlungsansätzen führen.
Personalisierung des Leberkrebs-Screenings
Das Feld des Leberkrebs-Screenings bei NASH entwickelt sich rasch über standardisierte Ansätze hinaus. Dr. Friedman erörtert mehrere Faktoren, die zur Individualisierung von Screening-Strategien beitragen. Das Vorliegen und Stadium einer Leberfibrose bleibt der wichtigste Auslöser für den Beginn des Screenings. Das Fibrosestadium wird üblicherweise durch nicht-invasive Tests oder eine Biopsie bestimmt.
Ein weiterer kritischer Faktor ist eine familiäre Vorgeschichte mit Leberkrebs. Dr. Friedman weist darauf hin, dass bei Verwandten ersten oder sogar zweiten Grades mit Leberkrebs – insbesondere im Zusammenhang mit NASH – erhöhte Wachsamkeit und ein aggressiveres Screening gerechtfertigt sind. Dies legt nahe, dass vererbte genetische Faktoren eine Rolle spielen könnten, auch wenn die beteiligten Gene noch nicht vollständig identifiziert sind.
Genetische Risikofaktoren und PNPLA3
Spezifische genetische Risikofaktoren erweisen sich als wertvolle Werkzeuge zur Personalisierung der Risikobewertung. Dr. Friedman hebt das Gen PNPLA3 hervor. Träger bestimmter Risikovarianten in diesem Gen haben ein erhöhtes Risiko, sowohl eine NASH als auch Leberkrebs zu entwickeln. Besonders hoch ist das Risiko bei Personen mit zwei Kopien des Risikoallels.
Gentests auf PNPLA3 und andere Risikogene können darauf hindeuten, dass ein Patient intensiver auf Leberkrebs gescreent werden sollte – selbst bei noch nicht fortgeschrittener Fibrose. Dr. Friedman erwartet, dass Kliniker künftig eine Reihe genetischer Risikomarker heranziehen werden. Die Kombination dieser genetischen mit klinischen Faktoren wird die Erstellung eines personalisierten Risikoscores ermöglichen. Dieser Score soll das individuelle Krebsrisiko präziser bestimmen und Entscheidungen über Zeitpunkt und Häufigkeit des Screenings leiten.
Dr. Anton Titov, MD, ermöglicht diesen Einblick in die Zukunft personalisierter Medizin. Das ultimative Ziel ist es, nicht nur die Risikovorhersage, sondern auch die Therapieauswahl an die genetische Zusammensetzung des Tumors anzupassen und so eine truly individualisierte Patientenversorgung zu erreichen.
Vollständiges Transkript
Dr. Anton Titov, MD: Nichtalkoholische Fettlebererkrankung und nichtalkoholische Steatohepatitis sind Risikofaktoren für Leberkrebs. Warum entwickeln einige Patienten Leberkrebs, und welche Rolle spielen NASH und NAFLD dabei?
Dr. Scott Friedman, MD: Zunächst einige allgemeine Punkte: Jede Erkrankung, die zu fortgeschrittener Narbenbildung und Zirrhose in der Leber führt, ist ein Risikofaktor für Krebs. Tatsächlich entsteht primärer Leberkrebs – anders als bei manchen anderen Organen – nur sehr selten in einer gesunden Leber.
Wir wissen, dass Patienten mit fortgeschrittener Erkrankung gefährdet sind, Krebs zu entwickeln. Bei ausreichend fortgeschrittener Fibrose sollten diese Patienten routinemäßig alle sechs Monate bildgebend untersucht werden, um eventuelle Frühkarzinome in einem potenziell heilbaren Stadium zu entdecken.
In den letzten 25 Jahren traten die meisten Krebsfälle bei Patienten mit chronischer Virushepatitis auf – Hepatitis B vor allem in Asien, Hepatitis C weltweit. Da wir heute gute Therapien gegen diese Virusinfektionen haben, beobachten wir einen Rückgang der HCC-Fälle (hepatozelluläres Karzinom), weil die zugrundeliegende Viruserkrankung besser behandelt werden kann.
Ein wichtiges Merkmal von Krebs bei Virushepatitis ist, dass die Patienten bei Diagnose meist bereits eine Zirrhose haben. Daher müssen wir mit dem Screening beginnen, sobald sich eine Zirrhose abzeichnet.
Besorgniserregend bei NASH ist, dass Leberkrebs sogar vor einer Zirrhose auftreten kann. Etwa ein Drittel der Krebsfälle bei NASH-Patienten entstehen „vorzeitig“ – also ohne Zirrhose.
Das hat erhebliche Auswirkungen auf das Risikoverständnis bei nicht-zirrhotischer NASH und auf den Zeitpunkt des Screenings. Die Leitlinien empfehlen ein Screening auf Krebs bei NASH derzeit nur bei fortgeschrittener Fibrose.
Wir wissen, dass Leberkrebs bei NASH früher auftritt als bei virusbedingten Hepatitiden. Zudem sprechen diese Tumore möglicherweise anders auf die gängigen Krebstherapien an.
Wie Sie und Ihre Zuschauer wissen, hat die Checkpoint-Blockade eine Revolution in der Krebstherapie eingeleitet – sie aktiviert das Immunsystem des Patienten zur Bekämpfung des Krebses. Diese Medikamente waren bei vielen Krebsarten sehr erfolgreich, besonders beim Lungenkrebs. Beim Leberkrebs war der Erfolg etwas geringer.
Die Immuntherapie ist zwar wirksamer als eine konventionelle Chemotherapie, aber es scheint, dass Krebs bei Virushepatitis etwas besser auf immunologische Therapien anspricht als Krebs bei NASH-Patienten.
Wir beginnen zu verstehen, was in der Immunumgebung von NASH-Tumoren anders ist – was sie resistenter gegen Checkpoint-Inhibitoren macht. Noch stehen wir am Anfang, wie in so vielen Bereichen der NASH-Forschung, aber wir beginnen, die treibenden Faktoren von Krebs bei NASH zu identifizieren, die sich von denen bei Virushepatitis B und C unterscheiden.
Dr. Anton Titov, MD: Professor Friedman, Sie haben die Leitlinien zum Leberkrebs-Screening erwähnt. In einer Ihrer Übersichtsarbeiten schreiben Sie auch über die Personalisierung des HCC-Screenings bei NASH-Patienten. Welche Faktoren spielen dabei eine Rolle? Worauf sollten Patienten und ihre Ärzte achten?
Dr. Scott Friedman, MD: Dies ist ein sich schnell entwickelndes Feld. Sicherlich ist das Vorliegen und Stadium der Leberfibrose ein wichtiger Auslöser für ein Screening. Eine familiäre Vorgeschichte mit Leberkrebs ist ebenfalls sehr aussagekräftig, auch wenn wir die genauen Ursachen noch nicht kennen.
Wenn ein Patient einen Verwandten ersten oder sogar zweiten Grades mit NASH und Krebs hat, sind wir alarmierter und raten zu einem intensiveren Screening. Zusätzlich spielen genetische Risiken eine Rolle, insbesondere im Gen PNPLA3.
Es ist bekannt, dass Träger bestimmter Risikovarianten in PNPLA3 nicht nur ein erhöhtes NASH-Risiko, sondern auch ein höheres Krebsrisiko haben. Bei zwei Kopien des Risikoallels sollte der Patient daher aggressiver gescreent werden.
Die optimale Screening-Häufigkeit ist zwar noch nicht festgelegt, aber wir werden mit der Zeit immer mehr genetische Risikofaktoren identifizieren. Deren Kombination wird es erlauben, das Krebsrisiko bei NASH-Patienten in niedrig, mittel oder hoch einzustufen.
Wir stehen noch am Anfang und arbeiten daran, einen echten Risikoscore zu entwickeln, der individualisiert angibt, wann und wie Patienten gescreent oder behandelt werden sollten.
Wie Sie wissen, findet derzeit eine Revolution statt: Die Expression spezifischer Gene in Tumoren wird charakterisiert, um vorherzusagen, welche immunologischen Therapien am wirksamsten sein könnten. Diese Ansätze werden nun auch bei Leberkrebspatienten erprobt.
Wir versuchen also, nicht nur das Risiko, sondern auch die Therapie based on the genetic makeup of the tumor zu personalisieren.