Dr. Francesca Cordeiro, MD, eine führende Expertin für Glaukom und Neuroprotektion, erläutert, wie sich die neuesten Behandlungsstrategien beim Glaukom entwickeln: weg von der reinen Senkung des Augeninnendrucks hin zum direkten Schutz der retinalen Nervenzellen vor Degeneration. Dieser therapeutische Ansatz, der aus der Alzheimer- und Parkinson-Forschung stammt, wird derzeit in klinischen Studien auf seine Wirksamkeit zur Erhaltung der Sehkraft untersucht.
Neuroprotektive Therapien bei Glaukom: Neue Behandlungsansätze
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- Neuroprotektion als Behandlungsstrategie bei Glaukom
- Ähnlichkeiten zu Alzheimer und Parkinson
- Die Rolle des Augeninnendrucks beim Glaukom
- Memantin-Studie bei Glaukom
- Herausforderungen in neuroprotektiven Studien
- Die Zukunft der Glaukomtherapien
- Die Bedeutung einer genauen Glaukomdiagnose
Neuroprotektion als Behandlungsstrategie bei Glaukom
Die Glaukombehandlung entwickelt sich weiter, wobei ein neuer Ansatz auf Neuroprotektion setzt. Dr. Francesca Cordeiro, MD, erklärt, dass Patienten seit 15 bis 20 Jahren nach neuen Methoden suchen, um eine Verschlechterung der Sehkraft zu verhindern. Neuroprotektive Medikamente zielen darauf ab, das Absterben von Nervenzellen zu verhindern. Beim Glaukom sind die retinalen Ganglienzellen die spezifischen Nervenzellen, die geschützt werden sollen.
Ähnlichkeiten zu Alzheimer und Parkinson
Die Neuroprotektionsstrategie beim Glaukom ähnelt Ansätzen, die bei großen neurodegenerativen Hirnerkrankungen angewendet werden. Dr. Francesca Cordeiro, MD, weist darauf hin, dass Neuroprotektion ein etablierter Behandlungsgrundsatz bei Alzheimer, Parkinson und Schlaganfall ist. Die gleichen Methoden, die bei neurodegenerativen Hirnerkrankungen eingesetzt werden, können auch beim Glaukom effektiv sein. Forscher haben zahlreiche Therapien, die ursprünglich für Hirnerkrankungen entwickelt wurden, für die Glaukombehandlung adaptiert.
Die Rolle des Augeninnendrucks beim Glaukom
Glaukom unterscheidet sich von anderen neurodegenerativen Erkrankungen durch den bedeutenden Faktor des erhöhten Augeninnendrucks. Dr. Francesca Cordeiro, MD, erklärt, dass dieser Druckfaktor dazu führt, dass Patienten fälschlicherweise oft glauben, Glaukom sei lediglich ein hoher Augeninnendruck. Traditionelle Behandlungen konzentrierten sich ausschließlich auf die Senkung des Drucks, was selbst einen schützenden Effekt auf Nervenzellen hat. Dieser etablierte Ansatz hat die Entwicklung zusätzlicher Therapien, die über andere Mechanismen wirken, erschwert.
Memantin-Studie bei Glaukom
Bislang wurden nur zwei groß angelegte klinische Studien mit neuroprotektiven Medikamenten für Glaukom durchgeführt. Dr. Francesca Cordeiro, MD, erörtert eine bedeutende Studie mit Memantin, einem aus der Alzheimer-Behandlung übernommenen Medikament. Memantin ist ein NMDA-Antagonist, der Zelltod verhindert, indem er neuronale Hypererregbarkeit hemmt. Dieses orale Medikament wurde in den 2000er Jahren in einer sehr großen Studie mit etwa 2.000 Patienten getestet. Das Pharmaunternehmen veröffentlichte nie die vollständigen Ergebnisse, sondern gab lediglich eine Pressemitteilung heraus, die nahelegte, dass die Studie nicht erfolgreich war, um die Wirksamkeit von Memantin zur Glaukomprävention nachzuweisen.
Herausforderungen in neuroprotektiven Studien
Die Memantin-Studie stand vor erheblichen methodischen Herausforderungen, die die Ergebnisse wahrscheinlich beeinflussten. Dr. Francesca Cordeiro, MD, erklärt, dass die Studie unter denselben Problemen litt, die zuvor die Alzheimer- und Parkinson-Forschung plagten. Die Studienpopulation war nicht gut definiert und umfasste Patienten in verschiedenen Stadien der Glaukomprogression. Zudem durften die Untersucher subjektiv entscheiden, ob Patienten während der Studie zusätzliche Therapien benötigten, was zu uneindeutigen Ergebnissen führte, die schwer zu interpretieren waren.
Die Zukunft der Glaukomtherapien
Trotz vergangener Herausforderungen bleibt Neuroprotektion ein vielversprechender Ansatz für die künftige Glaukombehandlung. Dr. Francesca Cordeiro, MD, betont, dass die Lehren aus gescheiterten Studien das Studiendesign für neurodegenerative Therapien verbessert haben. Die Erkenntnis, dass Glaukom Mechanismen mit anderen Hirnerkrankungen teilt, treibt weiterhin die Forschung zu neuen neuroprotektiven Ansätzen an. Forscher entwickeln gezieltere Therapien, die spezifische Wege des retinalen Ganglienzelltods beim Glaukom adressieren.
Die Bedeutung einer genauen Glaukomdiagnose
Eine ordnungsgemäße Glaukombehandlung beginnt mit einer präzisen Diagnose durch umfassendes Screening. Dr. Francesca Cordeiro, MD, weist darauf hin, dass Glaukom oft eine stille Erkrankung ist, die eine sorgfältige Evaluation erfordert. Eine korrekte Diagnose setzt die Interpretation mehrerer spezialisierter Augentests voraus, um die Gesundheit des Sehnervs, die Gesichtsfeldfunktion und den Augeninnendruck zu beurteilen. Wie Dr. Anton Titov, MD, mit Experten diskutiert, wird diese diagnostische Präzision zunehmend wichtig, da neue neuroprotektive Behandlungen auftauchen, die bestimmte Patientengruppen in bestimmten Krankheitsstadien nutzen könnten.
Vollständiges Transkript
Der neue Behandlungsansatz bei Glaukom basiert auf Neuroprotektion. Es handelt sich um denselben Ansatz wie bei anderen neurodegenerativen Hirnerkrankungen, etwa Alzheimer oder Parkinson.
Glaukom, eine stille Augenerkrankung, erfordert sehr sorgfältiges Screening. Eine korrekte Diagnose setzt die Interpretation mehrerer Augentests voraus.
Dr. Anton Titov, MD: Was sind die neuesten Trends in der Glaukombehandlung? Wohin entwickelt sich das Feld? Was könnte in naher Zukunft für Patienten verfügbar sein, das jetzt noch nicht existiert? Oder befinden sich einige Glaukombehandlungen noch in der Forschung?
Dr. Francesca Cordeiro, MD: In den letzten 15 bis 20 Jahren haben Patienten nach neuen Methoden gesucht, um eine Verschlechterung der Sehkraft zu verhindern. Auch neue diagnostische Tests für neurodegenerative Erkrankungen sind aufgetaucht.
Wir waren sehr an sogenannten neuroprotektiven Medikamenten interessiert. Neuroprotektion ist bei Erkrankungen wie Alzheimer, Parkinson und Schlaganfall anerkannt. Es handelt sich um Behandlungen, die das Absterben von Nervenzellen verhindern.
Beim Glaukom sind die retinalen Ganglienzellen die Nervenzellen, die geschützt werden sollen. Interessanterweise funktionieren die gleichen Methoden, die bei Neurodegeneration angewendet werden, auch beim Glaukom.
Jede Erkenntnis aus Hirnerkrankungen wie Alzheimer oder Parkinson lässt sich auf Glaukom übertragen. Wir haben viele Therapien für neurodegenerative Hirnerkrankungen übernommen und für Glaukom adaptiert.
Ein Unterschied beim Glaukom ist jedoch der zusätzliche Faktor des erhöhten Drucks im Auge, der bei Alzheimer oder Parkinson nicht existiert.
Deshalb denken Patienten oft fälschlicherweise, Glaukom sei einfach ein erhöhter Augeninnendruck. Alle unsere Behandlungen zielen darauf ab, den Druck im Auge zu senken. So haben wir Glaukom traditionell behandelt.
Das an sich ist wahrscheinlich eine protektive Therapie, aber wir nennen es nicht Protektion. Wir bezeichnen es als "Behandlungen zur Senkung des Augeninnendrucks".
Ein Problem war jedoch, dass dieser etablierte Ansatz die Entwicklung anderer Behandlungen, die nicht über Drucksenkung wirken, erschwert hat.
Es gab nur zwei groß angelegte klinische Studien mit neuroprotektiven Medikamenten bei Glaukom. Eine davon stammt aus der Alzheimer-Forschung: Memantin.
Memantin ist ein NMDA-Antagonist. Es verhindert Zelltod, indem es die Hypererregbarkeit von Zellen hemmt.
Dieses Medikament in Tablettenform wurde in den 2000er Jahren in einer sehr großen Studie mit etwa 2.000 Patienten getestet.
Ein Problem bei dieser Studie war, dass das Pharmaunternehmen die Ergebnisse nie veröffentlichte. Alles, was existiert, ist eine Pressemitteilung.
Sie deutet an, dass die Studie nicht erfolgreich war. Mit anderen Worten, Memantin konnte nicht nachweisen, dass es Glaukom verhindert. Es gab viel Kontroverse über die Testergebnisse.
Dr. Anton Titov, MD: Warum hat Memantin bei Glaukom nicht gewirkt? Aber wir haben viel aus den Glaukom-Studienergebnissen gelernt, auch ohne Veröffentlichung.
Wir müssen uns auf Patienten und Untersucher verlassen, die an der klinischen Studie teilgenommen haben. Es waren wahrscheinlich dieselben Probleme, die früher klinische Studien zu Alzheimer und Parkinson plagten.
Sie hatten keine klar definierte Patientengruppe. Patienten befanden sich in verschiedenen Stadien der Erkrankung. Die Untersucher durften subjektiv entscheiden, ob Patienten weitere Therapien benötigten.
Dr. Francesca Cordeiro, MD: Also war alles uneindeutig. Wir könnten das wahrscheinlich erklären.
Dr. Anton Titov, MD: Vielleicht waren die Ergebnisse der Glaukom-Neurodegenerationstherapie nicht klar, weil verschiedene Schweregrade der Erkrankung vermischt wurden.