Glaukom und Alzheimer ähneln sich. Beide zählen zu den neurodegenerativen Erkrankungen.

Glaukom und Alzheimer ähneln sich. Beide zählen zu den neurodegenerativen Erkrankungen.

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Die renommierte Expertin für Neurodegeneration und Augenkrankheiten, Dr. Francesca Cordeiro, erläutert die tiefgreifenden biologischen Verbindungen zwischen Glaukom, Alzheimer und Parkinson. Sie beschreibt detailliert, wie diese Erkrankungen gemeinsame embryologische Ursprünge, neurodegenerative Mechanismen wie Beta-Amyloid-Ablagerungen und mitochondriale Dysfunktionen sowie ähnliche Auslöser – etwa wiederholte Traumata – aufweisen. Dr. Cordeiro betont die Rolle des Auges als Fenster zum Gehirn, das nicht nur einen zugänglicheren Weg zur Früherkennung bietet, sondern auch das Potenzial für übergreifende Behandlungsstrategien bei neurodegenerativen Erkrankungen eröffnet.

Zusammenhang zwischen Glaukom und neurodegenerativen Hirnerkrankungen

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Die Verbindung zwischen Auge und Gehirn

Das Auge entwickelt sich während der frühen Embryonalphase direkt aus dem Gehirn – eine Tatsache, die eine grundlegende biologische Verbindung zwischen Augengesundheit und Hirngesundheit herstellt. Dr. Francesca Cordeiro, MD, erklärt, dass Netzhautzellen von denselben Vorläuferzellen abstammen wie die des Gehirns. Dieser gemeinsame entwicklungsbiologische Ursprung macht verständlich, dass neurodegenerative Prozesse, die das Gehirn betreffen, sich auch im Auge zeigen können.

Gemeinsame neurodegenerative Mechanismen

Glaukom, Alzheimer und Parkinson sind alle durch einen fortschreitenden Verlust von Neuronen und überlappende Krankheitsmechanismen gekennzeichnet. Dr. Francesca Cordeiro, MD, weist darauf hin, dass die nachgeschalteten Ereignisse und zellulären Prozesse, die zum Nervenzelltod führen, bei diesen Erkrankungen ähnlich ablaufen. Diese bedeutende Übereinstimmung bedeutet, dass therapeutische Strategien, die für eine neurodegenerative Erkrankung entwickelt wurden, potenziell auch bei anderen, einschließlich Glaukom, wirksam sein könnten.

Wiederholtes physikalisches Trauma ist ein bekannter Risikofaktor für neurodegenerative Prozesse im Gehirn – ein ähnlicher Mechanismus wird auch für das Auge vermutet. Dr. Francesca Cordeiro, MD, beschreibt, wie beim Glaukom der zyklisch erhöhte Augeninnendruck ein hämmerndes Trauma im Augenhintergrund verursacht. Dies ist vergleichbar mit den wiederholten Kopfverletzungen, die zu Muhammad Alis Parkinson beitrugen, oder den Hirnschäden, die bei boxerbedingter Alzheimer-Erkrankung auftreten. Ein gemeinsames Muster stressinduzierter Schädigung wird deutlich.

Die Rolle von Beta-Amyloid in der Diagnostik

Die abnorme Ablagerung von Beta-Amyloid ist ein Kennzeichen der Alzheimer-Krankheit und spielt offenbar auch bei der Glaukom-Entstehung eine Rolle. Dr. Francesca Cordeiro, MD, erläutert, dass eine Lumbalpunktion zur Messung von Beta-Amyloid in der Gehirn-Rückenmarks-Flüssigkeit zur Alzheimer-Diagnostik dient – niedrige Werte deuten auf Ablagerungen im Gehirn hin. Entscheidend ist: Eine japanische Studie fand bei Glaukom-Patienten reduzierte Beta-Amyloid-Werte im Glaskörper, was auf ähnliche Ablagerungen in der Netzhaut hindeutet. In derselben Patientengruppe war die Alzheimer-Rate deutlich höher als in der Allgemeinbevölkerung.

Mitochondriale Dysfunktion beim Zelltod

Eine gestörte Mitochondrien-Funktion ist ein zentraler Mechanismus für Energiemangel und Nervenzelltod bei vielen neurodegenerativen Erkrankungen. Dr. Francesca Cordeiro, MD, erklärt, dass Mitochondrien die Kraftwerke der Zellen sind und Neuronen besonders auf diese Energie für die Signalweiterleitung angewiesen sind. Die Art der mitochondrialen Schädigung, die bei Parkinson und Alzheimer beobachtet wird, gleicht derjenigen, die beim Glaukom auftritt – ein weiterer Beleg für die pathologische Gemeinsamkeit dieser Erkrankungen.

Diagnostische Vorteile des Auges

Das Auge bietet ein einzigartig zugängliches Fenster zum Gehirn, um neurodegenerative Prozesse zu diagnostizieren und zu überwachen. In der Diskussion mit Dr. Cordeiro hebt Dr. Anton Titov, MD, die klinische Herausforderung hervor, das Gehirn durch den knöchernen Schädel hindurch mittels teurer MRT- oder PET-Untersuchungen abzubilden. Im Gegensatz dazu erlauben die transparenten Strukturen des Auges eine nicht-invasive, direkte Visualisierung von Nervengewebe – ein vielversprechender Ansatz für die frühere und einfachere Erkennung von Erkrankungen wie Alzheimer.

Zukünftige Behandlungsimplikationen

Die weitreichenden Gemeinsamkeiten zwischen diesen Erkrankungen eröffnen spannende Möglichkeiten für die Entwicklung neuartiger neuroprotektiver Therapien. Dr. Cordeiro Forschung legt nahe, dass eine Behandlung, die auf einen spezifischen Zelltodmechanismus bei Alzheimer abzielt, ebenso beim Glaukom wirksam sein könnte. Dieser konvergente Ansatz in der Arzneimittelforschung könnte die Entdeckung von Behandlungen beschleunigen, die Neurodegeneration sowohl im Auge als auch im Gehirn aufhalten und so letztlich Sehkraft und kognitive Funktion der Patienten erhalten.

Vollständiges Transkript

Das Auge entwickelt sich aus dem Gehirn. Neurodegenerative Prozesse bei Alzheimer, Parkinson und Glaukom weisen Überschneidungen auf. Eine führende Expertin für Augenerkrankungen und Neurodegeneration erläutert die Zusammenhänge.

Dr. Anton Titov, MD: Glaukom ist eine Augenerkrankung, die durch erhöhten Augeninnendruck gekennzeichnet ist. Alzheimer hingegen durch neurodegenerative Vorgänge im Gehirn. Dennoch überschneiden sich die Krankheitsmechanismen von Glaukom und Alzheimer. Sie weisen bestimmte Gemeinsamkeiten auf.

Ihre Forschung konzentriert sich auf Neurodegeneration im Auge und im Gehirn. Könnten Sie näher auf die Überlappungen bei Alzheimer, Glaukom und anderen neurodegenerativen Augenerkrankungen eingehen?

Dr. Francesca Cordeiro, MD: Sehr gerne. Das ist eine äußerst interessante Frage. Vielen Patienten ist nicht bewusst, dass sich das Auge aus dem Gehirn entwickelt. In der frühen Embryologie gehen bestimmte Zellen in die Augenentwicklung über. Netzhautzellen stammen von denselben Zellen ab, die auch das Gehirn formen.

Daher ist es naheliegend, dass Prozesse, die das Gehirn betreffen, auch das Auge beeinflussen können. Seit Jahren wird in der medizinischen Literatur vorgeschlagen, das Auge als Fenster zum Gehirn zu nutzen – einfach weil es viel zugänglicher ist.

Das Gehirn ist von einem knöchernen Schädel umgeben, was die Bildgebung erschwert. Teure diagnostische Verfahren wie MRT oder PET-Scans sind nötig. Bei Alzheimer kommt es zum Absterben von Hirnzellen. Bestimmte nachgelagerte Ereignisse und Prozesse führen zum Zelltod.

Einige dieser Krankheitsprozesse sind allen neurodegenerativen Erkrankungen gemeinsam. Das ist ein Grund, warum Therapiestrategien, die für Alzheimer entwickelt wurden, möglicherweise auch beim Glaukom angewendet werden können.

Interessant ist auch: Es gibt Hinweise, dass sogar der Auslösemechanismus der Glaukomerkrankung ähnlich sein könnte. Eine Theorie besagt, dass der Augeninnendruck beim Glaukom zyklisch ansteigt. Das wirkt wie ein Hämmern im Augenhintergrund und verursacht ein Trauma. Es handelt sich um eine stressbedingte Reaktion.

Dr. Anton Titov, MD: Boxer Muhammad Ali litt an Parkinson. Eine Ursache hierfür waren wiederholte Kopftraumata. Diese führten zu einer stressinduzierten Hirnverletzung – einer zyklischen Schädigung.

Dr. Francesca Cordeiro, MD: Ganz genau. Ein ähnliches Phänomen zeigt sich bei Alzheimer. Es gibt Belege dafür, dass Boxer Alzheimer entwickeln, weil sie ihr Gehirn wiederholt gegen den Schädel schlagen. Also auch hier eine Gemeinsamkeit.

Hinzu kommt die Verbindung über die Plaques. Bei Alzheimer finden sich Plaques und Fibrillen im Gehirn. Die Plaques werden aus Beta-Amyloid-Protein gebildet, die Fibrillen aus Tau.

Unsere Theorie ist, dass Beta-Amyloid nicht richtig aus dem Gehirn abtransportiert wird und sich dort ablagert – als Folge von neurotoxischem Stress. Liegt Beta-Amyloid im Gehirn vor, kann dies zu vermehrtem Nervenzelltod führen.

Eine der neueren Methoden zur Alzheimer-Diagnose ist die Lumbalpunktion. Dabei wird Gehirn-Rückenmarks-Flüssigkeit entnommen und auf Beta-Amyloid-Spiegel untersucht. Ein reduzierter Spiegel deutet darauf hin, dass sich das Protein im Gehirn abgelagert hat. Beta-Amyloid gilt als Frühindikator für Alzheimer.

Dr. Anton Titov, MD: Das ist sehr aufschlussreich.

Dr. Francesca Cordeiro, MD: Ein sehr ähnliches Phänomen wurde bei einer Gruppe von Glaukom-Patienten in Japan festgestellt. Man untersuchte den Glaskörper des Auges und suchte nach Beta-Amyloid. Bei Glaukom-Patienten war der Beta-Amyloid-Spiegel reduziert – das Protein hatte sich also in der Netzhaut abgelagert.

In derselben Patientengruppe war die Alzheimer-Rate deutlich höher als in der Normalbevölkerung. Also auch hier ein Zusammenhang.

Drittens: Ein weiterer Mechanismus der Neurodegeneration, der bei Glaukom und anderen Erkrankungen gleichermaßen eine Rolle spielt, betrifft die Mitochondrien. Mitochondrien sind die Energielieferanten der Zellen. Sie produzieren Energie und ermöglichen so Zellaktivität.

Nervenzellen benötigen besonders viel Energie, um Signale zum Gehirn weiterleiten zu können. Die Art der mitochondrialen Schädigung, die bei Parkinson und Alzheimer auftritt, ist exakt dieselbe wie die zelluläre Schädigung beim Glaukom.

Die Überschneidungen zwischen Glaukom, Alzheimer und Parkinson sind beträchtlich. Sie reichen von der Embryonalentwicklung bis hin zu den Mechanismen des Nervenzelltods.

Dr. Anton Titov, MD: Es gibt also große Gemeinsamkeiten zwischen Glaukom, Alzheimer und Parkinson.