Multiples Myelom und Genexpressionsprofilierung: Intrakolonale Heterogenität. 4

Multiples Myelom und Genexpressionsprofilierung: Intrakolonale Heterogenität. 4

Can we help?

Dr. Nikhil Munshi, MD, ein führender Experte für multiples Myelom, erläutert das Phänomen der intraklonalen Heterogenität. Diese stellt ein Kernmerkmal von Krebserkrankungen dar. Während ihres Wachstums erwerben Tumorzellen neue genetische Veränderungen, was zu einer vielfältigen Population von Krebszellen führt. Intraklonale Heterogenität begünstigt Therapieresistenz und einen aggressiven Krankheitsverlauf. Genexpressionsprofile und DNA-Sequenzierung (Desoxyribonukleinsäure-Sequenzierung) ermöglichen die Erfassung dieser Unterschiede. Diese Technologien unterstützen die Prognoseeinschätzung und leiten die Therapieauswahl.

Intraklonale Heterogenität beim multiplen Myelom verstehen: Grundlage für bessere Therapien

Direkt zum Abschnitt

Was ist intraklonale Heterogenität?

Intraklonale Heterogenität ist ein grundlegendes Merkmal des multiplen Myeloms und der meisten Krebserkrankungen. Dr. Nikhil Munshi beschreibt sie als den Prozess, bei dem sich Krebszellen im Laufe ihrer Vermehrung verändern. Aus einer einzelnen Ursprungszelle entstehen durch Teilung zwei, dann vier und schließlich immer mehr Zellen. Jede neue Generation kann dabei neue ernährungsbedingte, genetische oder genomische Veränderungen aufweisen. Das Ergebnis ist keine einheitliche Tumorpopulation, sondern eine heterogene Mischung verwandter, aber unterschiedlicher Zellen. Diese Vielfalt ist nicht nur von akademischem Interesse – sie treibt viele der Herausforderungen bei der Behandlung fortgeschrittener Krebserkrankungen wie dem Myelom maßgeblich an.

Auswirkungen auf Therapieresistenz und Krankheitsaggressivität

Intraklonale Heterogenität hat schwerwiegende klinische Folgen. Dr. Nikhil Munshi nennt zwei Hauptprobleme: Zum einen begünstigt sie die Entwicklung von Medikamentenresistenzen. Durch zelluläre Selektion erlangen Tumorzellen Eigenschaften, die ihr Überleben unter Therapie ermöglichen. Zum anderen beschleunigt sie das Tumorwachstum. Diese weiterentwickelten Zellen teilen sich oft schneller und verhalten sich aggressiver. Bei soliden Tumoren kann diese Heterogenität Zellen außerdem zur Metastasierung befähigen. Beim multiplen Myelom, das primär im Knochenmark auftritt, kann dieser evolutionäre Druck in seltenen Fällen zu extramedullärer Ausbreitung führen. Dr. Munshi betont, dass diese Heterogenität ein zentrales Problem der Onkologie darstellt.

Heterogenität mittels Transkriptomik erkennen

Für die Erkennung und Analyse intraklonaler Heterogenität sind moderne Technologien unverzichtbar. Eine leistungsstarke Methode ist die transkriptomische Analyse, also die Genexpressionsprofilierung. Dr. Nikhil Munshi erläutert ihren Nutzen: Da Tumorzellen variieren, weist jede leichte Unterschiede in der Genexpression auf. Die Genexpressionsprofilierung misst diese Abweichungen innerhalb einer Zellpopulation. Die Untersuchung von 100 Myelomzellen aus einer Knochenmarkprobe zeigt sowohl Gemeinsamkeiten als auch entscheidende feine Unterschiede. Diese transkriptomischen Daten liefern eine Momentaufnahme des funktionellen Zustands des Tumors und sind ein Schlüsselinstrument, um die Biologie der individuellen Erkrankung eines Patienten zu verstehen.

DNA-Sequenzierung zur Erforschung der Krebsentwicklung

Die Betrachtung auf DNA-Ebene ermöglicht noch tiefere Einblicke in die Krebsentwicklung. Dr. Nikhil Munshi unterstreicht die Bedeutung der genomischen Sequenzierung: Jede Zelle innerhalb einer heterogenen Population kann ein leicht unterschiedliches Mutationsspektrum aufweisen. Die Analyse dieser Mutationen erlaubt es Onkologen, den „Stammbaum“ des Krebses zu rekonstruieren. Diese phylogenetische Analyse identifiziert die ursprüngliche Gründungszelle und kartiert die daraus hervorgegangenen Tochter- und Enkelzellen. Dieses detaillierte genomische Bild ist entscheidend, um die Hauptzellpopulationen zu bestimmen, die für eine wirksame und nachhaltige Therapie ins Visier genommen werden müssen.

Prognostische und therapeutische Anwendungen

Die Analyse der Heterogenität hat direkte klinische Relevanz für Patienten mit multiplem Myelom. Dr. Nikhil Munshi erläutert ihre Anwendungen: Erstens unterstützt sie die Prognoseabschätzung. Bestimmte Genmutationen oder Expressionsmuster können vorhersagen, ob die Erkrankung eines Patienten aggressiver verlaufen wird. Dieses Wissen ermöglicht es Ärzten, die Behandlungsintensität anzupassen. Zweitens leitet sie die Therapieauswahl. Das Verständnis überexprimierter Gene erlaubt die gezielte Auswahl von Medikamenten, die diese Signalwege adressieren. Dr. Anton Titov diskutiert diese Konzepte mit Experten, um zu verdeutlichen, wie moderne Profilierung die Behandlung von einem Einheitsansatz zu einem Präzisionsmedizinmodell weiterentwickelt – mit dem Ziel, Resistenzen zu überwinden.

Vollständiges Transkript

Dr. Anton Titov: Das multiple Myelom weist eine besondere Eigenschaft auf: die intraklonale Heterogenität, die sich auf das Genexpressionsprofil bezieht. Was genau ist intraklonale Heterogenität beim multiplen Myelom? Und wie kann die Genexpressionsprofilierung bei der Therapieauswahl und der Bestimmung prognostischer Faktoren helfen?

Dr. Nikhil Munshi: Lassen Sie mich zunächst die intraklonale Heterogenität definieren. Wir gehen davon aus, dass sie im Kern fast aller Krebserkrankungen steckt. Vereinfacht gesagt bedeutet sie, dass sich Krebszellen – auch multiple Myelomzellen – während ihres Wachstums verändern. Sie erwerben neue mutationsbedingte, genetische und genomische Veränderungen.

Aus einer Zelle werden zwei, vier, acht und mehr – und diese jüngeren Zellen haben im Vergleich zur Ursprungszelle zusätzliche Eigenschaften erworben. Ein Teil davon geschieht ohne größere Auswirkung, aber vieles resultiert aus zellulärer Selektion, die Tumorzellen aggressiver macht.

Sie werden medikamentenresistent, teilen sich schneller. Wenn wir Tumorzellen betrachten – etwa 100 Myelomzellen aus einer Knochenmarkprobe –, finden wir viele Gemeinsamkeiten, aber auch viele geringfügige, im Laufe der Zeit erworbene Unterschiede.

Es handelt sich also um eine heterogene Population, nicht um eine einzige Zelle, die alle anderen nachahmt – das ist klonale Heterogenität. Diese intraklonale Heterogenität ist bedeutsam, weil sie Krebszellen befähigt, resistent gegen Behandlung zu werden – das ist Punkt eins. Punkt zwei: Sie wachsen schneller.

Bei soliden Tumoren begünstigt sie auch die Metastasierung. Beim Myelom, das im Knochenmark angesiedelt ist, ist das weniger relevant, obwohl es selten extramedullär auftreten kann. Bei soliden Tumoren hingegen kann es zur Streuung kommen. Intraklonale Heterogenität ist also ein Problem, mit dem wir ringen.

Wie können wir sie nun erkennen? Ein einfacher Weg ist die transkriptomische Analyse, also die Betrachtung des Genexpressionsprofils. Da Tumorzellen variieren, weist jede leichte Unterschiede in der Genexpression auf. Das ist eine Methode, die wir für verschiedene Zwecke nutzen – dazu gleich mehr.

Der zweite Ansatz, auf den wir uns zunehmend konzentrieren, ist die DNA-Ebene, denn jede Zelle kann ein leicht unterschiedliches Mutationsmuster haben. Das verrät uns, welche Zelle die ursprüngliche war, welche Tochter- oder Enkelzellen sind usw.

Wir können die gesamte heterogene Population analysieren und eine Art Stammbaum des Krebses bei einem Patienten erstellen. So erkennen wir, welche Hauptzellen wir targetieren müssen und wie sie sich entwickelt haben. Sowohl Transkriptom- als auch Genomsequenzierung spielen hier eine wichtige Rolle.

Wie genau? Solche Analysen helfen uns zu identifizieren, was Tumorzellen erworben haben, das sie aggressiver oder „schlechter“ macht. Wenn ich also Tumorzellen untersuche und bestimmte Genmutationen finde, kann ich vorhersagen, dass das Myelom dieses Patienten aggressiver verlaufen wird – und die Behandlung entsprechend anpassen.

Ähnlich verhält es sich mit dem Expressionsprofil: Je nachdem, welche Gene exprimiert oder überexprimiert werden, können wir erkennen, ob es sich um ein aggressiveres oder langsamer wachsendes Myelom handelt. Das hilft uns also bei der Prognose.

Und wenn wir wissen, welche Gene hoch- oder runterreguliert sind, können wir gezielt Medikamente auswählen, die diese spezifischen Gene adressieren, um Myelomzellen abzutöten oder besser zu kontrollieren. So setzen wir diese Technologie für mögliche Therapieansätze ein.