Dr. Ehud Grossman, ein führender Experte für Hypertonie und kardiovaskuläres Risiko, erläutert die entscheidende Bedeutung der Blutdruckkontrolle. Er verdeutlicht, dass bereits eine Senkung des Blutdrucks um einen Millimeter Quecksilbersäule (mmHg) das Risiko für Herzinfarkt und Schlaganfall signifikant verringert. In der personalisierten Hypertoniebehandlung diskutiert er die komplexe Abwägung zwischen Therapienutzen und Medikamentennebenwirkungen. Dabei betont er, dass Leitlinien zwar Orientierung bieten, individuelle Patientenentscheidungen jedoch im Vordergrund stehen.
Optimierung der Blutdruckziele zur Prävention von Herzinfarkt und Schlaganfall
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- Hypertonie und Diabetes: Kardiovaskuläres Risiko
- Vorteile der Blutdrucksenkung
- Personalisierte Hypertoniebehandlung
- Leitlinien versus individuelle Entscheidungen
- Rolle der Patienten bei Therapieentscheidungen
- Vollständiges Transkript
Hypertonie und Diabetes: Kardiovaskuläres Risiko
Dr. Ehud Grossman, MD, betont den engen Zusammenhang zwischen Hypertonie und Diabetes. Patienten mit beiden Erkrankungen haben ein kardiovaskuläres Risiko, das dem nach einem Herzinfarkt entspricht. Aufgrund dieses erhöhten Risikos benötigen Diabetiker häufig eine aggressive Prävention. Dazu zählen Acetylsalicylsäure (ASS) und cholesterinsenkende Medikamente, ähnlich wie bei der Sekundärprävention.
Vorteile der Blutdrucksenkung
Dr. Ehud Grossman, MD, weist darauf hin, dass jeder Millimeter Quecksilbersäule (mmHg) im Blutdruck zählt. Ein Unterschied von 20 mmHg systolisch oder 10 mmHg diastolisch kann das Risiko für kardiovaskuläre Ereignisse verdoppeln. So steigt beispielsweise bei einem Unterschied von 80 mmHg das Risiko um das Zehnfache. Der Nutzen der Senkung ist nicht linear: Am größten ist er, wenn ein sehr hoher Blutdruck gesenkt wird. Eine Reduktion von 180 auf 140 mmHg systolisch bringt eine erhebliche Risikominderung. Eine weitere Senkung von 140 auf 130 mmHg bietet dagegen geringere, schrittweise Vorteile.
Personalisierte Hypertoniebehandlung
Dr. Ehud Grossman, MD, erklärt, dass die Hypertoniebehandlung ein Kernbereich der personalisierten Medizin ist. Ärzte müssen den Nutzen jeder Blutdrucksenkung gegen mögliche Nebenwirkungen der Medikamente abwägen. Dieser Entscheidungsprozess ist hochindividuell und hängt vom Ausgangsblutdruck, dem allgemeinen Gesundheitszustand und der Verträglichkeit der Medikation ab. Ziel ist es, das bestmögliche Ergebnis mit möglichst wenigen Nebenwirkungen zu erreichen.
Leitlinien versus individuelle Entscheidungen
Leitlinien zur Hypertoniebehandlung bieten einen wichtigen Rahmen für die Versorgung. Dr. Grossman betont jedoch, dass sie keine starren Vorgaben sind. Sie geben eine Richtung vor, doch der Weg ist für jeden Patienten einzigartig. Die klinische Einschätzung des Arztes ist entscheidend für die Anwendung dieser Leitlinien. Dr. Anton Titov, MD, moderiert diese Diskussion und beleuchtet die Nuancen der klinischen Praxis jenseits der publizierten Empfehlungen.
Rolle der Patienten bei Therapieentscheidungen
Dr. Ehud Grossman, MD, befürwortet nachdrücklich eine gemeinsame Entscheidungsfindung (shared decision-making) in der Hypertoniebehandlung. Der Patient ist ein zentraler Partner in seiner Versorgung. Ärzte müssen die Vorteile niedrigerer Blutdruckziele klar erläutern und potenzielle Nebenwirkungen der Medikation offen ansprechen. Letztlich entscheidet der Patient auf Basis seines Verständnisses von Risiken und Nutzen über seinen Behandlungsweg. Dieser kooperative Ansatz stellt sicher, dass die Therapiepläne sowohl wirksam als auch nachhaltig sind.
Vollständiges Transkript
Dr. Ehud Grossman, MD: Es ist eine sehr interessante Statistik, dass bei Menschen mit Diabetes das Vorliegen einer Hypertonie die gleichen kardiovaskulären Risikofaktoren bedeutet wie bei Menschen, die bereits einen Myokardinfarkt hatten.
Richtig! Das ist eine der älteren Studien, die zeigte, dass das Risiko für Herzinfarkt und Schlaganfall bei Patienten mit Diabetes viel höher ist als in der Allgemeinbevölkerung. Wenn man Diabetes hat, ist es in gewissem Sinne "Sekundärprävention", was bedeutet, dass es wie bei jemandem ist, der bereits einen Myokardinfarkt hatte, weil das Risiko so hoch ist, dass es dem Risiko eines Myokardinfarkt-Überlebenden entspricht.
Deshalb sagen nicht alle Leitlinien dasselbe, aber in einigen Leitlinien benötigen diabetische Patienten eine Behandlung mit Acetylsalicylsäure (ASS) und cholesterinsenkenden Medikamenten, ähnlich wie Patienten nach einem Myokardinfarkt.
Es ist auch sehr interessant, dass wir, wenn wir über Blutdruck sprechen, über Unterschiede in Blutdruckzielen von 10 Millimeter Quecksilbersäule (mmHg) sprechen. Viele Leute sagen, plus oder minus 10 Einheiten in der Blutdruckmessung sind eigentlich nicht so viel, aber es stellt sich heraus, dass es viel bedeutet!
Es ist natürlich sehr wichtig. Wenn man die Einzelperson betrachtet, ist es nicht dasselbe, als wenn man eine Million Menschen nimmt und sieht, was der Unterschied in den Ereignissen ist, wenn der Blutdruck um 10 mmHg gesenkt wird.
Jeweils 20 mmHg im systolischen Blutdruck und 10 mmHg im diastolischen Blutdruck verdoppelten das Risiko für Herzinfarkt und Schlaganfall. Wenn Sie einen Patienten mit 115 mmHg systolisch sehen, dann erhöht jemand mit 195 mmHg – ein Unterschied von 80 mmHg – das Risiko um das Zehnfache, was enorm ist.
Es ist also sehr klar, dass ein Blutdruckunterschied von 10 mmHg zählt. Für die Person selbst mag es unterschiedlich sein, aber wenn man den Durchschnitt nimmt, die Epidemiologie vieler Menschen betrachtet, versteht man, dass jeder Millimeter Quecksilbersäule im Blutdruck zählt.
Es gibt also so etwas wie einen nicht bedeutsamen Unterschied im Blutdruck nicht. Menschen sollten natürlich wirklich versuchen, die Blutdruckziele in der Behandlung zu erreichen, die ihrer Risikokategorie zugeordnet sind.
Der Punkt ist, dass der Trend nicht derselbe ist. Wenn man von 180 auf 160 runtergeht, gibt der Unterschied von 20 mmHg eine sehr signifikante Reduktion der Ereignisse, aber wenn man von 140 auf 120 geht, bekommt man weniger Nutzen.
Der Nutzen von etwa 20 mmHg Unterschied hängt also davon ab, wo man startet und wohin man geht. Und natürlich sagen wir deshalb, OK, wenn man auf 140 geht, hat man den größten Nutzen bereits durch die Reduktion von 180 auf 140 mmHg systolisch erreicht.
Nun ist die Frage, was der zusätzliche Nutzen ist, wenn man von 140 auf 130 senkt? Sagen wir, es gibt einen zusätzlichen Nutzen, aber er ist gering, und dann fragt man sich, wie viel man dafür bezahlen muss – nicht in Geld – sondern in Nebenwirkungen der Medikamente?
Und dann muss man abwarten und sehen, ob es sich lohnt, zu versuchen, den Blutdruck 10 mmHg weiter zu senken und die Patienten Nebenwirkungen etc. auszusetzen. Das ist personalisierte Medizin – das ist der Unterschied zwischen einer großen Studie mit einer Million Menschen oder einigen Hunderttausend Menschen.
Aber wenn man einen spezifischen Patienten behandelt, muss man Nutzen und Nachteile abwägen. Und deshalb sind Hypertonie-Behandlungsleitlinien so kompliziert. Es gibt viel Raum für personalisierte Entscheidungen, die der Arzt treffen kann.
Keine Frage! Die Leitlinien geben Ihnen nur eine Richtung vor, aber ob Sie in diese Richtung gehen wollen, um das Ziel zu erreichen – das hängt vom Arzt ab. Es hängt auch vom Patienten selbst ab – man muss dem Patienten die Situation erklären, welche Nebenwirkungen auftreten können, was der Nutzen ist, und dann entscheidet der Patient über die Behandlung.