Dr. Scott Friedman, ein führender Experte für Lebererkrankungen, erläutert den entscheidenden Zusammenhang zwischen dem Darmmikrobiom und der nicht-alkoholischen Fettlebererkrankung. Er zeigt auf, wie Ernährung, Antibiotika und die häusliche Umgebung das Mikrobiom beeinflussen. Anhand überzeugender Belege aus Tiermodellen und seltenen menschlichen Fällen wie dem Auto-Brewery-Syndrom verdeutlicht er diese Wechselwirkungen. Zudem bewertet er den aktuellen Stand und das zukünftige Potenzial der fäkalen Mikrobiomtransplantation als Therapieansatz für die nicht-alkoholische Steatohepatitis (NASH).
Die Rolle des Darmmikrobioms bei NAFLD und NASH: Von der Dysbiose zur Therapie
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- Zusammenhang zwischen Mikrobiom und NAFLD/NASH
- Einfluss von Ernährung und Antibiotika auf das Mikrobiom
- Auto-Brauerei-Syndrom erklärt
- FMT zur NASH-Behandlung
- Zukünftige Mikrobiomforschung
- Vollständiges Transkript
Zusammenhang zwischen Mikrobiom und NAFLD/NASH
Dr. Scott Friedman, MD, stellt einen klaren Zusammenhang zwischen dem Darmmikrobiom und dem Fortschreiten der nicht-alkoholischen Fettlebererkrankung her. Er erläutert, dass Billionen von Bakterien im menschlichen Darm leben, die gemeinsam als Mikrobiom bezeichnet werden. Studien an Tiermodellen und Menschen deuten darauf hin, dass bestimmte Zusammensetzungen des Mikrobioms das Risiko und den Verlauf von NASH beeinflussen können.
Dr. Scott Friedman, MD, verweist auf überzeugende Belege dafür, dass NASH durch Mikrobiomtransplantation zwischen Versuchstieren übertragbar ist. Diese Übertragbarkeit unterstreicht die zentrale Rolle des Mikrobioms bei der Krankheitsentstehung. Allerdings merkt er an, dass die spezifischen bakteriellen Bestandteile, die die NASH-Entwicklung vorantreiben, noch nicht identifiziert sind.
Einfluss von Ernährung und Antibiotika auf das Mikrobiom
Laut Dr. Scott Friedman, MD, spielt die Ernährung eine entscheidende Rolle bei der Prägung der Darmmikrobiom-Zusammensetzung. Er betont, dass neben der Ernährung noch weitere Faktoren unsere mikrobiellen Bewohner beeinflussen. So wirken sich beispielsweise Haushaltsumgebungen signifikant auf das Mikrobiom aus, da Verwandte ersten Grades oft ähnliche bakterielle Gemeinschaften aufweisen.
Dr. Friedman vertritt eine überzeugende Theorie, wonach die Antibiotikaexposition der letzten 25 Jahre das Auftreten von NASH begünstigt hat. Er weist darauf hin, dass Antibiotika nicht nur über Medikamente, sondern auch über die Nahrung in unseren Körper gelangen. Nutztiere erhalten Antibiotika, und Pflanzen nehmen diese auf, was zu einer allgegenwärtigen Exposition führt. Diese könnte populationsweit das Mikrobiom systematisch verändern, die Energiespeicherung und Fettanreicherung fördern und so zur Entstehung von NAFLD und NASH beitragen.
Auto-Brauerei-Syndrom erklärt
Dr. Scott Friedman, MD, erörtert das faszinierende Auto-Brauerei-Syndrom als extremes Beispiel für die Wechselwirkung zwischen Mikrobiom und Leber. Bei dieser seltenen Erkrankung fermentieren bestimmte Darmbakterien, insbesondere eine Klebsiella-Unterart, Kohlenhydrate zu Ethanol. Der produzierte Alkohol gelangt über die Pfortader direkt von Darm zur Leber und verursacht Schäden, die von denen einer alkoholischen Lebererkrankung nicht zu unterscheiden sind.
Im Gespräch mit Dr. Anton Titov, MD, hebt Dr. Scott Friedman, MD, hervor, dass das Auto-Brauerei-Syndrom zwar selten ist, aber zeigt, wie bakterielle Metaboliten direkt Leberschäden verursachen können. Dieses Phänomen erklärt, warum NAFLD anfangs einer alkoholischen Lebererkrankung glich und zu diagnostischer Verwirrung führte. Das Syndrom liefert konkrete Belege dafür, dass Darmbakterien auch ohne Alkoholkonsum leberschädigende Substanzen produzieren können.
FMT zur NASH-Behandlung
Laut Dr. Scott Friedman, MD, wurde die fäkale Mikrobiomtransplantation (FMT) als mögliche NASH-Behandlung erprobt. Er berichtet, dass die derzeitige Evidenz FMT nicht als wirksame Therapie für nicht-alkoholische Steatohepatitis stützt. Die Transplantation könnte an Nachhaltigkeit scheitern, da das Mikrobiom oft nach der Behandlung in seinen Ausgangszustand zurückkehrt.
Dr. Scott Friedman, MD, erklärt Dr. Anton Titov, MD, dass möglicherweise nicht die optimale Mikrobiomzusammensetzung für Transplantationen verwendet wird. Trotz der derzeitigen Einschränkungen plädiert er dafür, dem Potenzial der FMT weiter offen gegenüberzustehen. Mit vertieftem Verständnis der bakteriellen Zusammensetzung und Dynamik könnte eine gezielte Mikrobiom-Manipulation in Zukunft therapeutischen Nutzen für NAFLD- und NASH-Patienten bringen.
Zukünftige Mikrobiomforschung
Dr. Scott Friedman, MD, ist zuversichtlich, dass die Mikrobiomforschung bedeutende Durchbrüche in der NASH-Behandlung liefern wird. Akademische Forscher und Unternehmen arbeiten aktiv daran, die spezifischen Bakterien, Viren und Pilze zu identifizieren, die das Fortschreiten von NASH vorantreiben. Das ultimative Ziel ist die Entwicklung therapeutischer Strategien, um diese schädlichen mikrobiellen Komponenten abzuschwächen.
Dr. Friedman räumt im Gespräch mit Dr. Anton Titov, MD, die Herausforderung ein, etablierte Mikrobiome dauerhaft zu verändern. Er merkt an, dass Mikrobiome tendenziell zu ihrem ursprünglichen Gleichgewicht zurückkehren, selbst nach Interventionen. Trotzdem bleibt er optimistisch, dass ein besseres Verständnis der Darmflora zu wirksamen mikrobiombasierten Behandlungen für Fettlebererkrankungen führen wird.
Vollständiges Transkript
Dr. Anton Titov, MD: Welche Rolle spielt die Ernährung bei der Darmmikrobiom-Dysbiose bei Fettlebererkrankung und bei NASH?
Dr. Scott Friedman, MD: Das ist ein sehr wichtiger und schnell wachsender Forschungsbereich. Zunächst einmal beherbergen wir alle Billionen von Bakterien im Darm, die gemeinsam als Mikrobiom bekannt sind. Jedes Mikrobiom ist ein wenig unterschiedlich.
Dennoch mehren sich die Hinweise aus Tiermodellen und Humanstudien, dass die Beschaffenheit des Mikrobioms die Neigung und das Risiko für das Fortschreiten von NASH beeinflussen kann. Wir wissen noch nicht genau, welche Bakterien konkret das NASH-Risiko treiben.
Aber es gibt starke Belege dafür, dass NASH durch Mikrobiomtransplantation von einem Versuchstier auf ein anderes übertragen werden kann. Tatsächlich gibt es Fallberichte, bei denen eine Mikrobiomtransplantation entweder ein Risiko oder sogar eine bestehende NASH übertragen oder das NASH-Risiko gemindert hat.
Ich würde also sagen, wir sind uns mittlerweile ziemlich sicher, dass es eine starke Verbindung zwischen dem Mikrobiom und dem NASH-Risiko gibt. Allerdings haben wir die Komponenten des Mikrobioms noch nicht ausreichend identifiziert, um sie therapeutisch zu nutzen oder das Mikrobiom gezielt zur Behandlung von NASH zu manipulieren.
Die Ernährung hat sicherlich großen Einfluss auf das Mikrobiom. Aber es ist nicht nur die Ernährung. Auch der Haushalt, in dem man lebt, spielt eine Rolle, denn Verwandte ersten Grades, die zusammenwohnen, teilen typischerweise ein ähnliches Mikrobiom.
Ebenso kann Antibiotikaexposition das Mikrobiom verändern. Dabei geht es nicht nur um Antibiotika, die wir bei einer Erkältung oder – besser – bei einer bakteriellen Infektion einnehmen, was angemessener wäre. Es geht auch um Antibiotika in unserer Nahrung.
Nutztiere erhalten Antibiotika. Auch Pflanzen und Getreide sind Antibiotika ausgesetzt. Daher halte ich eine Theorie für sehr überzeugend,
die besagt, dass einer der Gründe für das Auftreten von NASH in den letzten 25 Jahren die systematische Veränderung des Bevölkerungsmikrobioms durch allgegenwärtige Antibiotikaexposition ist. Dies begünstigt das Auftreten bestimmter Bakterien, die möglicherweise das Risiko erhöhen, Energie und Fett einzulagern und letztlich NAFLD und NASH zu entwickeln.
Eines der großen Ziele ist es, die entscheidenden Komponenten des Mikrobioms zu identifizieren, die NASH antreiben. Dann hoffen wir, diese abzuschwächen oder das Mikrobiom zu verändern. Wir sind noch nicht so weit.
Aber zahlreiche akademische Forscher und Unternehmen sind intensiv damit beschäftigt, die NASH-verursachenden Bakterien – oder auch Viren oder Pilze, die ebenfalls zur Darmflora gehören – zu identifizieren.
Gemeinsam wollen wir jene Merkmale herausfinden, die letztlich das Auftreten oder Fortschreiten von NASH vorantreiben. Wie erwähnt, zielt die Therapie darauf ab, diese abzuschwächen. Allerdings scheint das Mikrobiom sehr schwer veränderbar zu sein.
Wir haben also ein relativ stabiles Mikrobiom. Zwar kann es durch Antibiotika beeinflusst werden, aber oft kehrt es danach wieder in seinen ursprünglichen Gleichgewichtszustand zurück, der das NASH-Risiko begünstigt.
Dr. Anton Titov, MD: Professor Friedman, in einer Ihrer Übersichtsarbeiten erwähnten Sie das Auto-Brauerei-Syndrom, bei dem mikrobielle Fermentation von Kohlenhydraten im Darm zur endogenen Alkoholproduktion führt, die dann die Leber schädigt. Könnten Sie das näher erläutern?
Dr. Scott Friedman, MD: Das ist ein sehr interessantes und wahrscheinlich seltenes Phänomen. Es wurden einige Fälle beschrieben, darunter eine sehr überzeugende detaillierte Schilderung aus China.
Dort wurde ein bestimmtes Bakterium, eine Unterart von Klebsiella, beschrieben. Diese Bakterien produzierten Ethanol, das vom Darm über die Pfortader, die vom Darm zur Leber führt, zur Leber gelangt und dort durch hohe Ethanolspiegel Schäden verursacht.
Warum ist das reizvoll? Wir erinnern uns, dass der heutige Name der Erkrankung nicht-alkoholische Fettlebererkrankung lautet.
Warum „nicht-alkoholisch“? Als die Erkrankung erstmals auftrat, sah sie aus wie eine alkoholische Lebererkrankung. Tatsächlich standen Patienten oft unter Verdacht, heimlich zu trinken. Es dauerte einige Jahre, bis klar wurde, dass es sich zwar ähnlich darstellt, aber nicht alkoholbedingt ist.
Beim Auto-Brauerei-Syndrom handelt es sich zwar wahrscheinlich nicht um eine Hauptursache für NASH. Aber es untermauert die Vorstellung, dass in Extremfällen Darmbakterien Leberveränderungen verursachen können – in diesem Fall durch Ethanol.
Das ist also ein Beispiel. Vielleicht gibt es noch andere, bei denen Bakterien tatsächlich einen Metaboliten produzieren – hier Ethanol –, der effektiv eine alkoholische nicht-alkoholische Lebererkrankung verursacht. Das bedeutet, die Patienten trinken keinen Alkohol, aber die Keime produzieren Alkohol, der in die Leber gelangt und sie schädigt.
Dr. Anton Titov, MD: Sie erwähnten bereits die fäkale Mikrobiomtransplantation. Wurde FMT bereits zur Behandlung von nicht-alkoholischer Steatohepatitis, NASH, und Fettlebererkrankung versucht?
Dr. Scott Friedman, MD: Es gab vereinzelte Versuche. Bisher gibt es keine größeren Studien, die überzeugend belegen, dass FMT eine robuste und wirksame Behandlung für NASH darstellt.
Ich vermute, dass möglicherweise nicht das richtige Mikrobiom verwendet wird oder dass die Transplantation nicht nachhaltig ist. Das heißt, die Keime kehren oft in ihren vorherigen Zustand zurück.
Daher gibt es meines Erachtens noch keine überzeugenden Belege dafür, dass FMT eine breit anwendbare viable Therapie für NAFLD oder NASH ist. Aber das letzte Wort ist noch nicht gesprochen.
Und während wir tiefer in das Verständnis der Zusammensetzung und des Verhaltens unserer Darmbakterien eintauchen, bin ich zuversichtlich, dass wir Fortschritte sehen werden, die zeigen, dass gezielte FMT oder Mikrobiom-Manipulation einen Nutzen bei der Behandlung von NAFLD oder NASH haben kann. Wir sind nur noch nicht so weit.